Digitale Auferstehung

Kennen Sie diese Geisterjäger-Fernsehserien? Da, wo sich ein mutiges Kamerateam in ein verwunschenes Haus schleicht, in dem – angeblich – seit Jahrzehnten die Seele einer vor 128 Jahren ermordeten Frau wandelt …. oder so ähnlich. Praktisch ist es dann so, dass das Team einfach in ein extrem schlecht beleuchtetes Haus geht und bei jedem Knarren oder Knarzen fürchterlich erschrickt. Letztlich kommt am Ende nichts dabei raus. Einen echten Geist hat da noch niemand zu Gesicht bekommen.

Das ändert sich jetzt. Allerdings nicht durch irgendwelche Fernsehteams mit Wärmebildkamera und Infrarot-Nachtsichtgerät, sondern durch Computeranimationen und … die Polizei. Aber der Reihe nach.

Anfang 2020 gab es in Südkorea eine Fernsehshow, in der eine Mutter die tragische Geschichte vom Tod ihres Kindes schilderte. Nayeon, die siebenjährige Tochter von Jang Ji-sung, verstarb 2016 an einer seltenen Krankheit und die Fernsehmacher hatte sich etwas sehr Emotionales ausgedacht. Mittels VR-Brille „durfte“ die Mutter am Ende der Show in eine virtuelle Welt abtauchen und dort ihre Tochter noch einmal sehen.

Das Mädchen wurde dazu lebensecht in 3D „nachgebaut“, sprang fröhlich hinter einem Versteck hervor und redete dann sogar mit ihrer Mutter, was dank Künstlicher Intelligenz und Voice-Cloning in Nayeons wirklicher Stimme geschah. Durch den Einsatz von Sensor-Handschuhen, war es der Mutter sogar möglich, (vermeintlich) die Hand ihrer Tochter zu halten. Ich fand dieses „Computerspiel“ äußerst grenzwertig und weiß nicht, was das mit der trauernden Mutter gemacht hat, die verständlicherweise die ganze Zeit geweint hat.

Viel mehr Verständnis habe ich dann doch eher mit der niederländischen Polizei. Die hat jetzt ebenfalls ein totes Kind digital nachgebaut und „lebensecht“ durch ein Video spazieren lassen. Auch geredet hat der vor fast 20 Jahren erschossene, damals 13-jährige Sedar Soares in dem Video. Doch die Polizei will nicht der Mutter ein zweifelhaftes Wiedersehen ermöglichen, sondern dem Mörder – und möglichen Zeugen.

In dem kurzen Film läuft Serdar erst durch ein Spalier aus Freunden und Familie. Am Ende schaut er dem Zuschauer (vermeintlich) ganz tief in die Augen und sagt: „Weißt Du mehr? Dann sprich jetzt!“. Da kann es einem schon anders werden. Vor allem, wenn man 2003 in Rotterdam dabei war, als eine Kugel Serdars Leben auslöschte. Und vielleicht brennt sich der Blick des beängstigend echt wirkenden Jungen einem damaligen Zeugen oder gar dem Täter ins Gehirn. Für schlaflose Nächte, dank Auferstehung 2.0

 

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