Am 10. September 2002 schaffte es ein gewisser Jeff Baird, ein uraltes Backup auszulesen und eine Text-Nachricht wiederherzustellen, die fast 20 Jahre vorher in einem Bulletin-Board hinterlassen wurde. Bulletin-Boards waren eine Art (digitales) „Schwarzes Brett“ in der Zeit vor dem Internet, wie man sie heute nur noch von Supermärkten kennt, auf denen Mathe-Nachhilfe angeboten wird oder Reinigungskräfte gesucht werden.
Die wiedergefundene Nachricht stammt von Scott Fahlman. Er hat am 19. September 1982 vorgeschlagen, dass man ein lachendes Emoticon (Smiley aus Buchstaben und Zeichen) verwenden solle, um einen Post auf dem Bulletin-Board als „witzig“ oder „ironisch“ zu kennzeichnen. Es ging um eine Diskussion, in der Teilnehmer einen Beitrag anders interpretiert hatten, als es der Autor meinte. Auch wenn in Reader’s Digest 1967 und in einem Interview in der New York Times 1969 ähnliches vorgeschlagen wurde, Fahlmann war der Erste, der die Emoticons :-) und :-( öffentlich verwendete.
Der Aufruf von Fahlmann, Smileys zu verwenden, sollte dazu dienen, Missverständnisse zu vermeiden. Das hat wohl auch jahrzehntelang funktioniert. Bis heute. Heute kann es vorkommen, dass Smiley Missverständnisse hervorrufen. Einen kanadischen Landwirt kostete ein falsch verstandenes Emoji sogar über 55.000€.
Die häufigsten Missverständnisse dürften vermutlich ein Generationenproblem sein. Ähnlich wie man ab einem gewissen Alter bei Jugendsprache nicht mehr mitkommt. So bedeutet ein Auberginen-Emoji mit drei Wassertropfen eben nicht, dass das Gemüse heute aber frisch ist. Und genau wie früher, erklärt uns das die BRAVO in einer Art Dr. Sommer-Spezial.
Doch zurück zu dem Fall in Kanada. Ein Einkäufer hatte im März mehreren Landwirten Textnachrichten geschickt, dass er im Herbst große Mengen Flachs kaufen möchte. Ein Farmer nahm daraufhin Kontakt auf und der Einkäufer teilte ihm mit, er werde einen Vertrag per Messenger schicken. Das tat er kurz darauf auch, verbunden mit der Bitte, diesen zu bestätigen. Der Bauer antwortete mit einem Daumen-hoch-Emoji, was der Einkäufer als Zustimmung interpretierte – der Bauer hingegen wollte das nur als Bestätigung verstanden wissen, dass er sich später den Vertrag mal ansehen würde. Es kam, wie es kommen musste. Der Bauer lieferte im Herbst nicht und der Einkäufer musste kurzfristig woanders zu einem höheren Preis einkaufen, um seine Bedürfnisse zu decken. Ein Richter verurteilte den Daumen-hoch-Bauern nun zur Zahlung der Preisdifferenz von 82.200 kanadischen Dollar, weil er mit dem Senden eines nach oben gestreckten Daumens einen Vertrag eingegangen sei.
Vielleicht wusste Scott Fahlman, dass ein alleinstehendes Smiley missverständlich sein kann, aber Worten die richtige Richtung mitgibt. Wie überlegen Emojis Worten sind, hat schon lange vor dem Computerzeitalter einer der bedeutendsten Philosophen des 20.Jahrhunderts erkannt. So schrieb Ludwig Wittgenstein bereits 1938, dass durch einfach gezeichnete Gesichtsausdrücke flexiblere und vielgestaltigere Beschreibungen als nur durch Adjektive möglich seien.