Bilder von Traktoren ukrainischer Farmer, die russische Panzer abschleppen, sind mittlerweile legendär. Reihenweise wurden damit feststeckende und verlassene Panzer der russischen Invasoren von Bauern in der Ukraine abgeschleppt.
Bereits Anfang März hatte die ukrainische Anti-Korruptionsbehörde erklärt, dass die Panzer in der Steuererklärung nicht aufgeführt werden müssen, sie seien nichts wert. Der Grund hinter der vermutlich nicht so ernst gemeinten Mitteilung ist, dass in der ukrainischen Steuererklärung Vermögenswerte ab 720€ angegeben werden müssen, Fahrzeuge aller Art jedoch immer – also unabhängig von ihrem Wert. Wie viele Traktoren es in der Ukraine gibt, ist mir nicht bekannt. Weltweit sind es geschätzt etwa 16 Millionen Stück. Und die benötigen jährlich etwa ein Drittel der Energie, die weltweit in der gesamten Landwirtschaft verbraucht wird (hier fossiler Brennstoff, nämlich Diesel). Doch vermutlich ist Nachhaltigkeit momentan das letzte Problem der Landwirte rund um Kyiv.
Nach dem Überfall auf die Stadt Melitopol haben die russischen Besatzer den Spieß umgedreht und einen Traktoren-Großhändler geplündert. Dabei wurden Landmaschinen im Wert von etwa 5 Millionen Dollar gestohlen. Die Traktoren, Mähdrescher und andere Landmaschinen wurden dann per LKW in die autonome Republik Tschetschenien transportiert. Wie man auf Handyvideos bei Twitter sehen kann, werden die Transport-Konvois von russischen Polizeiautos eskortiert, damit dem wertvollen Diebesgut auch ja nichts passiert.
Womit die Plünderer nicht gerechnet haben, ist die Tatsache, dass auch Traktoren und Mähdrescher mittlerweile smarte Geräte sind. Sie verfügen über ein GPS gesteuertes Ortungsmodul und sind nicht nur dumme Dieselmotoren auf Rädern. Sie sind fahrbare Computer mit Pflugschwertern oder Dreschtrommeln, die über ein Fernwartungsmodul verfügen, über das Updates eingespielt werden können. Der Hersteller der Landmaschinen, John Deere, hat diese Schnittstelle genutzt und alle gestohlenen Maschinen deaktiviert und unbrauchbar gemacht. Sie können nicht gestartet werden. Älalätsch!
Auch wenn die Diebe aus den Geräten noch Geld durch den Verkauf von Ersatzteilen machen können, ist die Aktion für sie ein Reinfall. Es zeigt aber auch, welche Gefahren diese ferngesteuerten Geräte besitzen. In einer vernetzten, smarten und digitalen Welt haben kommerzielle Firmen einen mächtigen Hebel. Auch wenn es (noch?) nicht gemacht wird, im Endeffekt ist das gezielte, lokal begrenzte (und theoretisch mögliche) Deaktivieren von Windows-Systemen durch Microsoft, das Deaktivieren von Steuerungsanlagen in Windrädern oder in einem Kraftwerk durch Siemens, das Deaktivieren von iPhones durch Apple, das Deaktivieren von Drohnen durch DJI oder das Sperren von E-Mail-Postfächern durch Gmail nichts anderes als ein Druckmittel, wie das Zudrehen der Gas-Pipeline durch einen Diktator.
Wie gesagt, das passiert derzeit nicht in diesem Umfang und wenn, dann als freiwillige Maßnahme einer Firma wie John Deere. Tatsächlich aber zeigt es, dass man nur hoffen kann, dass man in einem Land lebt, das auf der richtigen Seite steht. Wenn es blöd läuft, steht man sonst nämlich ohne funktionierendes Handy, ohne Netflix, ohne WhatsApp und ohne Traktor da.
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