Spitzengeschwindigkeit

32 Quadratmeter kosten in München mit etwas Glück um die 1.500€ Warmmiete. Das ist recht viel für eine kleine Wohnung, aber nichts im Vergleich zu 32 Quadratmeter Alufolie, die gerade im All umherfliegt. Unter dem Namen Light Sail 2 hat die Planetary Society gerade ein rund 7 Millionen Dollar teures Projekt am Fliegen. Light Sail sieht aus wie eine quadratisch ausgerollte Alufolie. Es soll eine Art Segel darstellen und beweisen, dass man ohne eigene Energie Raumschiffe auf extrem große Geschwindigkeiten bringen kann.

Vom Prinzip her ist das eine ganz aufregende Idee. Da es im All ja keine Reibung gibt, die etwas bremst, braucht man ein Raumschiff nur leicht anstupsen und es fliegt los. Langsam und mit konstanter Geschwindigkeit, aber praktisch unendlich weit. Wenn man dieses Raumschiff jetzt immer wieder anstupst, wird es jedes mal ein wenig schneller. Und wenn man mit dem Anstupsen gar nicht aufhört, wird es irgendwann Lichtgeschwindigkeit erreichen.

Light Sail nutzt diese Idee aus. Zum Anstupsen verwenden die Segel den Strahlungsdruck der Sonne. Einfach gesagt … wenn ein Sonnenstrahl auf das Segel trifft, stupst es das Raumschiff an. Zwar fast ohne Druck, aber Milliarden mal ein winziges Stupserchen macht ganz schön was aus.

Ein ähnliches Projekt namens Starshot möchte auf diese Art den Mars in einer Stunde erreichen, anstatt wie heute mit alter Technik in neun Monaten. Ja … die Geschwindigkeiten nehmen immer mehr zu. Was früher und sogar heute undenkbar erscheint, könnte schon bald Realität sein. Wir leben schneller, wir fliegen schneller, wir fahren schneller.

Schauen Sie … am 16.Mai 1895 bekam ein gewisser Alexander Gütermann den vermutlich ersten Strafzettel der Welt. Gütermann musste drei Mark Strafe bezahlen, weil er „Nachmittags zwei Uhr mit einer derartigen Geschwindigkeit“ durch den Ort Denzlingen gerast ist, dass im Gasthaus „Ochsen“ die „Vorhänge geflattert haben.“ So steht es tatsächlich im Strafzettel vermerkt.

Nun muss man dazu sagen, dass damals eine Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h zulässig war. Innerorts gar nur 6 km/h. Dass dieser Herr Gütermann ein Raser war, steht wohl außer Frage. Er hat sogar extra 400 Mark mehr für seinen Benz Viktoria ausgegeben, um den größeren Motor mit mehr PS zu bekommen. Die vier statt drei Pferdestärken brachten dann auch unglaubliche 30 km/h auf die Straße. Da bekreuzigten sich nicht nur die Bäuerinnen am Straßenrand, wenn Gütermann vorbei brauste, da flatterten wohl auch die Vorhänge im Gasthaus. Light Sail kann man nur wünschen, nicht zu flattern, dafür aber deutlich schneller zu werden als Gütermann mit seinem „Benz Motor-Pferd„.


 

 

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