Wenn in einer Menschenmenge „Marimba“ bimmelt, greife ich mir – neben allen anderen iPhone Nutzern – an die Tasche.
Wie Pawlowsche Hunde prüft jeder, ob sein Handy gerade klingelt – oder ein anderes. Die Melodie ist uns allen so vertraut, sie ist eingebrannt in unseren Gehirnen. „Geh ran!“ signalisiert es, „Heb ab!“ Das gleiche gilt natürlich auch für alle Samsung-Nutzer, wenn deren Default-Klingelton erschallt. Schuld ist Nokia, die fast 20 Jahre lang den Quasi-Standard für Klingeltöne gesetzt haben.
Die Legende erzählt, dass 1992/93 ein Nokia Manager anregte, Melodien anstelle eintöniger Piepser mitzuliefern. Die Entwicklungsabteilung mit dem berühmten Soundingenieur Thomas Dolby konvertierte daraufhin die Top-Songs der Charts in Midi-Töne. Bis die Juristen kamen und die neuen Klingeltöne wegen Copyright-Problemen wieder strichen. Es durften nur Tonfolgen von Komponisten genutzt werden, die länger als 70 Jahre tot sind – sonst wird es teuer. Übrig blieben daher nur die Takte 13 bis 17 aus dem wundervollen Stück „Gran Vals“ des katalanischen Gitarristen Francisco Tarrega (1852-1909).
Sie signalisierten forthin auf Millionen Handys weltweit Anrufe. In der Melodie für eingehende Textnachrichten hat Nokia übrigens ein „Osterei“ versteckt. Die acht Töne . . . – – . . . sind der Morsecode für SMS.
Etwa ab dem Jahr 2000 wurden Klingeltöne dann zum Kassenschlager. Vom bekloppten Frosch bis zum kastrierten Hasen war alles mit Fremdschäm-Potential im Jamba-Abo verfügbar. Sogar Pfeiftöne in Frequenzen unter 20 kHz waren erhältlich, denn die können nur Jugendliche hören. Bei Menschen ab 25 Jahren beginnt bereits der körperliche Verfall beim Hören – die hohen Frequenzen werden gar nicht mehr wahrgenommen und so merken Lehrer nicht, wenn ihre Schüler angerufen werden. Ab 2007 setzten Verbraucherschützer der EU dem Klingelton-Abo-Wahnsinn ein Ende und heute schwören Smartphone-Hersteller bei ihren Geräten wieder auf eine eindeutige Erkennungsmelodie.
Ich persönlich hätte mir zwar etwas mehr Individualität bei meinem Klingelton gewünscht, ruft mich aber jemand an und Coldplay beginnt zu singen, dann denke ich: „Cool, da läuft Coldplay“, reagiere aber nicht und verpasse so einen Anruf. Ich bin halt auf „Marimba“ konditioniert. Deshalb lasse ich das mit einem persönlichen Klingelton sein und greife mir lieber einmal zu oft an die Tasche, als einmal zu wenig.
Die Lösung all meiner Probleme habe ich dann bei YouTube gefunden! Coldplay Lieder – gespielt auf einer Marimba! Geht doch!
https://www.youtube.com/watch?v=_2ZsUrv0mcU
Ihr Beitrag ist großartig, danke.