Kennen Sie das, wenn Sie in einer TEAMS- oder ZOOM-Videokonferenz sind und einer präsentiert irgendwas Langweiliges. Unternehmensziele des kommenden Jahres zum Beispiel oder irgendwelche Statistiken aus dem Bestellmanagement des letzten Monats. Alle Zuhörer schalten sich stumm und lauschen, einige schalten auch ihre Kamera ab. Was ich dann immer sehr witzig finde ist, wenn einer der Zuhörer angesprochen wird – und nicht antwortet, weil er/sie sich zwar eingewählt hat, aber die Zeit besser nutzt und zum Supermarkt gegangen ist. „Herr Schrödel, wie kann man sich denn zur Weihnachtsfeier anmelden?“ …. „Herr Schrödel?“ …. „Hallo? Sie sind doch im Call, oder? Hallo?“
Die juristische Fachzeitschrift „Legal Tribune Online“ hat jetzt von einem ähnlichen Fall berichtet, bei dem so etwas während der virtuellen Gerichtsverhandlung passiert ist. Spätestens seit Corona sind bestimmte Gerichtsverhandlungen nämlich auch über Videokonferenzen möglich. So auch am Arbeitsgericht Köln. Dort verwendet man jedoch nicht TEAMS oder ZOOM, sondern ein spezielles Konferenztool der NRW-Justiz namens „dOnline Zusammenarbeit“. Es wird berichtet, dass sich der Kläger, seine Anwältin und der Jurist der Beklagten (Arbeitgeber) einwählten, für etwa drei Minuten in dem auch aus anderen Konferenzsystemen bekannten virtuellen Warteraum befanden und sich dann um 11:18 auch sehen und hören konnten. Einziges Problem: sie waren allein in der Konferenz. Der Richter und seine zwei Beisitzer waren nicht da. Es gab keine Kachel und sie waren weder zu sehen noch zu hören. Und so plauderten die Anwälte ganze 45 Minuten über das Wetter den Fall und warteten auf den verspäteten Richter.
Gegen 12 Uhr rief dann die Anwältin des Klägers im Gericht an, da sie einen Anschlusstermin hat und nicht länger warten könne. Dort erfuhr sie zur ihrer großen Überraschung, dass die Verhandlung längst stattgefunden hat, bereits beendet sei und der Richter das Urteil auch gefällt hat. Wie üblich im Namen des Volkes … obwohl das ebenso wenig anwesend war wie die beiden Anwälte und der Kläger. Der Vorfall ist bis heute nicht endgültig geklärt. Denkbar ist ein technischer Fehler, bei dem Kläger und Anwälte den Richter weder sehen noch hören konnten und der Richter die Anwälte und den Kläger zwar sah, aber nicht hörte. Anders ist es kaum zu erklären, warum der Vorsitzende in seiner Urteilsbegründung notierte, dass der Angeklagte auf einfachste Fragen wie nach seiner Version des Sachverhalts nicht antwortete: „Hierauf reagierte der Kläger auch auf mehrfache Ansprache des Vorsitzenden nicht.“ notierte er. Auch der Anwalt des Beklagten Arbeitgebers bestätigt, den Richter nie gesehen oder gehört zu haben, antwortete aber angeblich auf die Frage, ob er beantrage die Klage abzuweisen mit einem „leichten Nicken“ – so jedenfalls will es der Richter wahrgenommen haben.
Der Kläger hat die absurde Verhandlung übrigens verloren. In einer zweiten Instanz funktionierte dann wohl alles und man einigte sich letztlich auf einen Vergleich. Der in den virtuellen Weiten des Internets verloren gegangene Rechtsstreit ist damit beendet. Akte X kann geschlossen werden.