Hastigkeits-Lotterie

Bei meinem ersten Job half ich dabei, ein CallCenter von DOS- auf Windows-Rechner umzustellen. Eine Schwierigkeit war, die Mitarbeiter auf das neue System zu trainieren. Sie hatten vorher nur mit der Tastatur gearbeitet. Und jetzt plötzlich gab es da diesen Mauszeiger. Und Buttons, die man Klicken konnte. Für die meisten war das totales Neuland – eine Computermaus hatten viele noch nie berührt. Um sich an deren Bedienung zu gewöhnen, mussten die Mitarbeiter dann ein, zwei Tage lang während der Arbeitszeit das auf Windows installierte Kartenspiel „Solitair“ spielen. Ruck Zuck waren alle in der Lage, die Maus zu bedienen.

Einen anderen Ansatz von „Gamification“, wie man den spielerischen Ansatz auf Neudeutsch nennt, gab es vor längerer Zeit einmal in Stockholm. Dort stand ein Blitzer. Wer mit seinem Auto zu schnell vorbeifuhr, wurde geblitzt – und musste eine Strafe bezahlen. So weit so normal. Doch hier war etwas anders.

Der Blitzer war nämlich nicht versteckt. Er war gut sichtbar und absurderweise sogar mit einer kleinen Leuchtreklame ausgestattet. Fast wie das Werbeschild eines amerikanischen Burgerlokals auf der Route 66 stand auf ihm „Hastighets Lotteriet“ – sehr frei übersetzt etwa „Hastigkeits-Lotterie“. (Hastighet ist das schwedische Wort für Geschwindigkeit) Das spielerische daran: Wer nicht zu schnell fuhr, wurde auch registriert und nahm dann an einer Verlosung teil bei der man etwas gewinnen konnte.

Technisch ist das recht spannend. Um an der Hastigkeits-Lotterie teilnehmen zu können, musste das Kennzeichen des Fahrzeugs fotografiert, ausgelesen und in den Lostopf (=Datenbank) gesteckt werden. Klingt einfach? Ist es aber nicht. In einem früheren Talk der Technikkonferenz „Electromagnetic Field“ berichtet ein holländischer Forscher darüber, wie automatisierte Nummernschildleser (z.B. in Parkhäusern) funktionieren. Wenn das Computersystem ein Foto des Fahrzeugs scannt, sucht es mittels OCR-Technik (Optical Character Recognition) die Buchstaben und Ziffern des Nummernschilds. Das kann durch Schnee oder Dreck behindert werden. Oder durch zusätzliche Schilder, wie sie LKW-Fahrer gerne mit ihrem Namen in der Windschutzscheibe haben. Noch spannender wird es, wenn es mehrere Treffer gibt. Weil Nummernschilder nicht eindeutig sind. Zumindest nicht europaweit.

Wer schon einmal an einem Parkscheinautomat sein Kennzeichen eingeben musste, weiß, diese Systeme erfragen keinen Trenner. So wird das Augsburger Kennzeichen „A-BC 123“ im System zu „ABC123“. Und exakt dieses KFZ-Kennzeichen gibt es nicht nur in Augsburg. Es gibt die gleiche Buchstaben-Ziffernfolge auch an anderen Fahrzeugen. In Schweden, Littauen, Griechenland, Malta und ein paar weiteren Ländern.

Ich überlege gerade, ob sich meine Gewinnchancen bei der „Hastighets-Lotteriet“ erhöhen würden, wenn Fahrzeuge aus anderen Ländern mit „meinem“ Kennzeichen auch registriert würden. Lohnen könnte sich das allemal. Denn als Gewinn gab es nicht nur so Schrott wie „elektrische Milchaufschäumer“ oder so. Nein, es gab Geldpreise. Cash! Finanziert übrigens von den Strafen der Raser, die vom gleichen Gerät geblitzt wurden.


Dieses Aalener Kennzeichen gibt es auch in Ungarn.


Bildnachweise:

Nummerschild: privat

Blitzer: Ohne Angaben von diesem Reddit-Beitrag

The speed camera lottery in Stockholm, Sweden. Drive at or under the speed limit and you'll be entered into a lottery where the prize fund comes from the fines that speeders pay. Average speed reduced from 32 km/h to 25 km/h (a reduction of 22%).
byu/neroina ininterestingasfuck

2 Kommentare zu “Hastigkeits-Lotterie

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