Wissensvorsprung dank Google

Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze und in meinen Computer tippe, fängt es nach zehn Minuten immer links oben an der Schulter an zu ziehen. Beim Aufstehen kommt dann noch ein kurzes aber intensives Stechen an der rechten Bauchseite dazu. Was habe ich wohl? Ich öffne Google und suche. Keine 90 Minuten später weiß ich, dass es sich nur um eine schmerzhafte Pyelonephritis handeln kann. Vielleicht aber auch um den – nur 2x dokumentierten – unspezifischen Verlauf einer Appendizitis, die eine schleichende Peritonitis nach sich zieht und an der ich laut Google mit einer 50%ige Chance sterben werde. Ich bin also fast tot – der Tag fängt ja gut an.

Sterbenskrank wie ich bin, schleppe ich mich zum Arzt. Von der Diagnose erzähle ich natürlich erst einmal nichts, schließlich will ich ja wissen, ob die Gottheit in Weiß überhaupt Ahnung von der Materie hat. Und tatsächlich: nach nur drei Minuten will der Weißkittel herausgefunden erkannt haben, dass ich falsch auf meinem Schreibtischstuhl sitze und nur ein bisschen Rückentraining brauche. Unfassbar! Da hat der jahrelang studiert und kennt sich weniger aus als Google. Ich beschließe zu Hause zu sterben und gehe.

Hoffentlich schaffe ich es diesmal, mein Testament zu machen. Letztens musste ich einen Anwalt im Streit verlassen, weil er – und laut Google muss er das tun – die anwaltliche Beratung zu Beginn des Mandats nicht ausreichend durchgeführt hatte. Das gleiche bei der Bank. Kaum hatte ich mich gerade mal zwei Stunden bei Google allwissend über verschiedene Lebensversicherungsmodelle gemacht, war mir sofort klar, dass sich die junge Auszubildende am Schalter bei der Bank überhaupt nicht mit der Materie auskennt. Noch schlimmer war mein Steuerberater. Auf meine bei Google gefundene Fangfrage nach dem degressiven Abschreibungsmodell antwortete dieser nicht gerade überzeugend.

Alles muss man selber machen. Hoffentlich habe ich noch ausreichend Zeit bevor es mit mir zu Ende geht. Na ja, wird schon klappen, die akute Perikarditis letzte Woche habe ich ja komischerweise auch überlebt.

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