Verständlich

Manchmal nuschele ich und werde nicht verstanden. Jetzt nicht so extrem wie Til Schweiger, aber immerhin so, dass mein Gegenüber mich nicht versteht. Schuld an der Misere bin ich, weil ich in solchen Momenten nicht klar und deutlich rede. Oder ich habe den Kopf gesenkt und schaue meinen Gesprächspartner nicht an. So bleiben meine Mundbewegungen verborgen, die gerade in lauten Umgebungen helfen, das gesprochene Wort zu verstehen. Irgendwo habe ich nämlich mal gelesen, dass nicht nur gehörlose Menschen Lippenlesen (können). Wir alle machen das unbewusst. Unser Gehirn bastelt dann bei Extremnuschlern oder Heavy Metall-Konzerten die Sätze aus der schlecht verstandenen Akustik und den Mundbewegungen zusammen. So verstehen wir auch in Extremfällen oftmals, was der andere von uns will.

Nun gibt es ein kleines, smartes Gerät, welches einen Teil dieser Aufgabe übernimmt. Und das kommt nicht nur gehörlosen Menschen zugute. Das Teil heißt TranscribeGlass. Es sieht aus, wie eine halbe Brille und ist praktisch ein kleines rechteckiges Glas auf einem Bügel, den man auf den Bügel seiner eigenen Brille aufstecken kann. Das rechteckige Glas fungiert dabei als durchsichtiger Bildschirm, in das Informationen eingeblendet werden können. Vielleicht kennen Sie das von modernen Autos, die die Geschwindigkeit oder Befehle des Navigationssystems in die Frontscheibe einblenden.

TranscribeGlass blendet das ein, was andere Menschen um uns herum sagen. Kurzum, es hört mit, transkribiert das, was unser Gesprächspartner sagt und blendet es dann in das Sichtfeld des Brillenträgers ein. Fast so wie Untertitel. Nur nicht im Film, sondern live im Café im echten Leben und in Echtzeit. Für gehörlose oder schwerhörige Menschen ist das eine phantastische Sache.

Wer das mal sehen möchte, schaut sich dieses Video an.

Der Anbieter selbst hat aber nicht nur diese Zielgruppe im Visier. Das Aufsteckbrillenglas kann das erkannte Gespräch natürlich auch in jede beliebige Sprache übersetzen und dann erst einblenden. So kann die Brille für Gespräche im Urlaubsland, Filmen in Originalversion oder für Führungen in Museen in einer fremden Sprache genutzt werden.

Aber ich sehe auch Ideen im Bereich der Sicherheit. Stellen Sie sich vor, die Brille übersetzt nicht nur Gesprochenes in Text sondern *versteht* das auch und reagiert. Wäre doch super, wenn die Brille einem Senioren eine Betrugs-Warnung einblendet, wenn sie „Ich bin Dein Enkel und habe einen Unfall gebaut. Ich muss ins Gefängnis, wenn Du mir nicht 5.000€ gibst, lieber Opa!“ hört und einen Enkeltrickbetrug erkennt.

Aktuell ist die Brille noch nicht verfügbar. Man kann sich derzeit nur in eine Warteliste für einen groß angelegten Test eintragen. Offenbar ist der Prototyp noch nicht einsatzreif. Vielleicht scheitern die Entwickler an Gesprächen mit Schwaben, Niederbayern oder Sachsen. Oder man hat sie mit einem Til Schweiger-Film getestet und die Brille bettelt wegen des Genuschels um etwas, das man eigentlich mit ihr abschaffen wollte: einen Lippenleser.


Bildnachweis: Screenshot aus YouTube Video, bearbeitet.

3 Kommentare zu “Verständlich

  1. Phantastisch ! Aktuell sehe ich ja nur schlecht; … ‚hoffe es gibt das Ding auf Kasse, wenn ich dann irgendwann auch noch schlecht höre ;-)

  2. (Informations-)Sicherheit kann dadurch auch gefährdet werden:
    Wenn man damit Gespräche abhört und so vertrauliche Informationen abgreift.
    Natürlich soll man im öffentlichen Raum keine vertraulichen Themen besprechen.
    Wie man es nicht macht hat BW-Ministerpräsident Kretschmann bewiesen, als er auf einem Parteitag einem Kollegen „der kann es einfach nicht“ im Gespräch mit anderen attestierte und es die falsche Ohren eines Journalisten ebenfalls mit bekamen.
    Abhören wird dadurch noch einfacher.

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