Überwachte Kinderarbeit

Hätte jemand George Orwell gesagt, er solle in seinem Roman 1984 von den heute ganz normalen Verhältnissen mit Überwachungskameras in China oder praktisch jeder zivilisierten Großstadt schreiben, er hätte das vermutlich als völlig übertrieben abgetan. Die Überwachung von Plätzen, Gebäudeeingängen, Straßen, Bahnhöfen, Zügen, Trambahnen und Bussen hat seinen festen Platz in der Gesellschaft. Die wenigsten regen sich darüber auf.

Ich habe sogar selbst ein paar Kameras, die ich manchmal raushole, um damit aus der Ferne alles im Blick zu haben. Damit beobachte ich zum Beispiel meine Wohnung, wenn ich im Urlaub bin. Oder die Fahrräder im Garten, damit sie nicht verschwinden. Oder den Hund, wenn der zu Hause bleibt, weil man mal eine Stunde ohne „Ich will auch was abhaben“-Blick im Restaurant sitzen möchte.

Wie so oft ist es ein zweischneidiges Schwert, das zwischen Überwachung der Bürger und dem Schutz der Bürger unterscheidet. Auch ich möchte mich da nicht ausnehmen. Einerseits bin ich klarer Verfechter von Freiheit und gegen permanente Überwachung. Und ja, ich bin auch bereit, mit einem gewissen Restrisiko zu leben, damit nicht an wirklich jeder Straßenecke Kameras angebracht werden.

Andererseits weiß ich jedes Kind gerne in einer sicheren U-Bahn, wenn es Nachts unterwegs ist. Bei der Akzeptanz einer Überwachungskamera spielt es daher eine entscheidende Rolle, ob wir selbst unser eigenes Hab und Gut überwachen – oder selbst überwacht werden.

Ein Beispiel: Wenn mein Arbeitgeber jetzt unseren Kunden und Lieferanten einen Link zur einer Überwachungskamera in meinem Büro geben würde, damit die jederzeit und für mich unbemerkt zuschauen können, ob und wie ich gerade arbeite … ob ich in der Nase bohre, eine E-Mail schreibe oder telefoniere … ich würde ausflippen! Geht gar nicht!

Elon Musk hat seinen Kunden, Lieferanten und Aktionären aber genau das gerade angeboten: Eine Kamera, die den Arbeitsplatz seiner Mitarbeiter überwacht und bei der jeder immer und unbemerkt zuschauen kann. Und wissen Sie was … ich finde das großartig, geradezu grandios. Denn die Kamera soll den Eingang zu einer für die Batterie im Tesla wichtigen Cobalt-Mine im Kongo zeigen. Als Live-Stream und in Echtzeit. Nach Kritik über vermeintliche Kinderarbeit in der Mine sagt Musk: Schaut einfach selbst zu. Und wenn ein Kind die Mine betritt, informiert mich und ich werde das Abstellen. Sehen Sie … grandiose Idee. Es kommt – wie so oft – mal wieder darauf an, aus welchem Blickwinkel man etwas betrachtet.

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