Schulterblick

Nachdem eine ähnliche Funktion von Microsoft aufgrund von Beschwerden (erst einmal?) eingestellt wurde, macht Google das Fass jetzt auf. Dessen künstliche Intelligenz „Gemini“ (sprich: dscheminei) bietet in Version 2 eine neue Funktion. Noch ist sie nicht allgemein verfügbar, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Wer möchte, kann sich auf YouTube schon mal einen Vorgeschmack holen. Einige Tech-Journalisten und Vlogger konnten die neue Funktion bereits testen. Und die hat es in sich … sie ist supergeil und supergefährlich.

In der neuesten Version von „Gemini“ kann man nicht nur mit der KI sprechen, sie kann analysieren, was man auf seinem PC oder Laptop gerade so macht. Dazu gibt man den Bildschirm frei, ganz ähnlich, wie man das in einer Videokonferenz macht, wenn man seinen Bildschirm mit den anderen Teilnehmern teilt. Was dann möglich ist, zieht einem die Schuhe aus.

Auf die Frage „Was siehst du gerade?“ beschreibt die KI, was auf meinem Monitor zu sehen ist. Sie weiß, dass ich ein Word-Dokument bearbeite und sagt mir auch, dass ich in diesem Moment an einem (diesem!!!) Text meiner Kolumne schreibe. Würde ich gerade beim Programmieren einer App in Python sein, dann kann „Gemini“ meinen Code lesen, analysieren und sagt (!) mir dann, welche Verbesserungen ich einbauen könnte oder wo ein Programmierfehler ist. Öffne ich YouTube, weiß das die KI auch. Sie analysiert die Vorschaubilder und kann mir auf meine Frage antworten, welche Videos mir gerade vorgeschlagen werden: „Vier Videos über neue Technikgadgets und zwei weitere über das Wechseln des Kettenblatts bei einem Fahrrad“. Und frage ich, welches der vorgeschlagenen Videos die meisten Views hat, „sieht“ das „Gemini“ auch und sagt mir das mit seiner menschlichen Stimme.

Dass das genial ist, steht außer Frage. Kein Mensch wird zukünftig Excel-Formeln lernen. Man fragt die KI. „Schau Dir mein Excel-Sheet an. Ich möchte die Steigerung der Gehälter gegenüber dem Vorjahr berechnen.“ Und die KI teilt dann mit, in welcher Zelle man welche Formel eintippen muss … oder sie tippt die Formel gleich selbst ein. Dass das katastrophal ist, steht ebenso außer Frage. Keine Firma wird es schaffen, seine Gehälter oder Einkaufspreise geheim zu halten. Kein Mensch kann heimlich private Videos ansehen. Niemand kann gefahrlos Flugblätter für Demos gegen die Regierung schreiben.

Denn damit diese genial-katastrophale Funktion läuft, macht Google praktisch sekündlich Screenshots meines Bildschirms, analysiert diese und wie man das so kennt: speichert das vermutlich auch in meinem Profil. Das ist so, als würde permanent jemand hinter mir stehen, mir andauernd über die Schulter schauen, alles sehen, was ich lese, anschaue oder schreibe und nichts davon vergessen. Nie mehr. Das ist nicht mehr George Orwells 1984 … das ist 2984. Trotzdem wird es jeder machen. Scheiß doch auf den Datenschutz …. das ist soooo geil!

6 Kommentare zu “Schulterblick

  1. Moin,
    japp, die Bequemlichkeit (andere würden ja sogar von Faulheit sprechen) wird sich immer wieder durchsetzen. Dass die KI dafür ein entsprechend tolles Tool ist, steht außer Frage…

    Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die Leute früher zumindest versucht haben über eine Frage oder ein Problem nachzudenken, bevor sie sich Hilfe per Internet o.ä. gesucht haben. Wie es damals in einem Handy-Werbespot so schön gesagt wurde: „…wir denken nicht mehr, wir googeln…“ Heutzutage gefühlt immer der gleiche Ablauf: sofort Handy rausholen und googeln ist für die meisten absolut normal geworden.

    Ich finde das schade, natürlich googel ich auch viel, aber meistens über Dinge, die man wirklich nicht dem Allgemeinwissen zurechnen kann (Fun Fact: bei meiner letzten Googelsuche musste ich beruflich wissen wie man die unterschiedlichen Schuhgrößen ineinander umrechnet ^^“). Aber diese Bequemlichkeit zu „erkaufen“ durch permanente Überwachung, Speicherung und Auswertung… das möchte ich nicht… und hoffentlich auch Andere nicht. >.< Da verzichte ich gerne auf "bessere Excel-Formeln" oder andere Optimierungen.

    • Wenn man das mal weiterdenkt, dann ist das besonders für Unternehmen aber echt super. Habe heute darüber kurz mit einem Bekannten diskutiert. Er meinte, dass Du dann keine teuren Experten mehr bezahlen musst. Die Konsequenz der Überlegung war letztlich, dass unkritische und lediglich „ausführende“ Mitarbeitende alles übernehmen können, was nicht vollautomatisierbar ist. Und die kannst Du als ungelernte Arbeiter bezahlen.

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