Schneller Umweg

Ampelschaltungen sind unheimlich komplex. Wer sich damit mal beschäftigt, wird feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, alle Verkehrsteilnehmer zufrieden zu stellen. Also möglichst lange Grünphasen auf der Hauptstraße zu haben. Und geringe Wartezeiten, wenn man aus der Nebenstraße kommt. Zudem ausreichend lange Grün für Fußgänger, selbst wenn die nicht ganz so flink sind, wie Usain Bolt über 100m.

In Essenbach bei Landshut gibt es seit einem guten Vierteljahr eine Ampel, die selber denkt. Rot, Gelb und Grün werden hier von einer mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Ampel der Firma Yunex Traffic gesteuert. Sie „sieht“ dank Kameras und Sensoren auch mehr als normale Lichtsignale im Straßenverkehr.  Es gibt Kameras, zusätzliche Leuchten, Kollisionswarner und einen Abbiegeassistent. Dieser aktiviert zum Beispiel eine Warnlampe, wenn ein Auto oder Laster rechts abbiegen möchte, während ein Radfahrer geradeaus fährt … und übersehen und umgefahren werden könnte.

Das System kann einem herannahenden Radfahrer auf einem Monitor signalisieren, ob er schneller in die Pedale treten oder abbremsen muss, um die nächste Grünphase ohne anzuhalten zu erwischen. Geht ein älterer Mensch oder eine Kindergartengruppe zu Fuß über die Ampel, dann erkennt sie das und sorgt für eine längere Grünphase, damit auch ja alle sicher und entspannt auf die andere Straßenseite kommen und niemand umgefahren wird.

Allerdings sind nicht alle Verkehrsteilnehmer gleich happy. Die Autofahrer sind ziemlich sauer. Seit die Ampel in Betrieb ist, häufen sich die Beschwerden und sogar im Rathaus, beim Bürgermeister, sprechen Essenbacher Bürger vor und fragen, wieso die intelligente Ampel durch ewig lange Rotphasen Stau und Wartezeiten in den Nebenstraßen erzeugt, obwohl auf der Hauptstraße (mit Grün) weit und breit kein Auto zu sehen ist.

Die Antwort ist ernüchternd. Zumindest für die Autofahrer. Die Ampel lernt noch. Und der Leiter des Verkehrsmanagements der verantwortlichen Landesbaudirektion, Stephan Stroh, ergänzt: „Man kann das mit einem Fahranfänger vergleichen. Der hat am Anfang viel theoretisches Wissen aus der Fahrschule, lernt aber erst mit der Erfahrung, die er im Straßenverkehr macht. Und genauso ist es mit dieser Ampel.“ Allerdings – so Stroh weiter – funktioniere die Ampel schon recht gut. Sie macht exakt das, was sie soll. Denn sie ist auf bestmögliche Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer programmiert – und nicht auf maximal schnellen Verkehrsfluss für Autofahrer. Also Sicherheit über Schnelligkeit.

Das findet nicht jeder gut. Laut Bürgermeister Dieter Neubauer (CSU) nehmen Autofahrer mittlerweile Umwege in Kauf und versuchen, die Ampel zu umfahren, um schneller ans Ziel zu gelangen. Und ich bin mir sicher, dass der ein oder andere die KI-Ampel sogar lieber umfahren würde, anstatt sie zu umfahren.


Stau umfahren geht übrigens auch mit dem Fahrrad. Danke an Leserin Elisa J. für das Foto.

 

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