In den letzten Tagen gab es mehrere Berichte über den Fall der 17-Jährigen Celeste B. aus Nebraska. Den Nachrichten zufolge beschlagnahmte die Polizei mehrere Laptops und Smartphones der Familie des Mädchens auf Grundlage von Chat-Protokollen, die der Polizei zuvor von Facebook überlassen wurden. Das Mädchen hatte eine Schwangerschaft durch Einnahme zweier Pillen beendet. Die Mutter und das schwangere Mädchen tauschten sich im Facebook-Chat aus, in welchen Abständen die junge Frau die Abtreibungs-Pillen nehmen muss. Ein Fehler.
Nach dem massiv kritisierten Urteil des obersten Gerichts der USA, in dem Frauen erst kürzlich das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch entzogen wurde (Roe vs Wade), scheint das nun der erste Fall zu sein, bei dem einer jungen Frau öffentlich der Prozess gemacht wird. Kein Wunder, dass Kritiker wie Befürworter diesen Fall jetzt ans Licht zerren. Dass Facebook zudem durch Herausgabe der Chatdaten eine Rolle in dem Spektakel spielt, wirft ein ganz übles Licht auf den Tech-Riesen. Mein erster Kommentar lautete jedenfalls: was für Arschlöcher bei Facebook.
Liest man dann aber ein wenig die Details durch, sieht alles ein wenig anders aus. Nicht unbedingt rosig, aber anders. Und es zeigt auch, dass wir nicht nur die (reißerischen) Überschriften im Internet lesen sollten. In Nebraska ist Abtreibung gar nicht verboten, sondern bis zur 20.Woche durch lizensierte Ärzte erlaubt. Die Einnahme der online gekauften Pillen zur Beendigung der Schwangerschaft fand aber wohl allein zu Hause und zudem erst in der 28. Schwangerschaftswoche statt. Die Polizei ermittelt außerdem nicht nur wegen des späten Abbruchs, sondern auch wegen der illegalen Entsorgung des daraufhin totgeborenen Fötus.
Auch wurden die Ermittlungen gar nicht wegen der Facebook-Chat-Daten begonnen. Die Polizei hatte zuvor schon einen Tipp bekommen und erst daraufhin über einen richterlichen Beschluss die Daten bei Facebook angefordert. Laut Meta (Facebooks Mutterkonzern) müsse man dann die Daten liefern, ob man wolle oder nicht. Obendrein war das Alles schon im Juni – also noch vor dem skandalösen Supreme Court Urteil – und in dem richterlichen Beschluss war zudem nur von Ermittlungen wegen des Verschwindens eines totgeborenen Fötus die Rede – und gar nicht von Abtreibung.
Celeste B. ist allein durch die mediale Aufmerksamkeit die große Verliererin. Und auch wenn Facebook juristisch mit der Herausgabe der Daten nichts falsch gemacht hat, es gibt Messenger wie Signal oder Threema, die setzen Verschlüsselung ein, so dass die Betreiber unsere Chats gar nicht mitlesen können. Dann können Sie zwar auch kein Geld mit unseren Daten verdienen, sie können aber selbst bei einem richterlichen Beschluss gar keine Daten herausgeben. Deshalb: Facebook ist und bleibt einfach der letzte Laden auf der Welt, dem man seine persönlichen Chats und Daten anvertrauen sollte.
Bildnachweis: Screenshot aus den veröffentlichen Gerichtsakten, hier Durchsuchungsbeschluss für private Nachrichten auf Facebook [Messenger]