Live dabei, bei Olympia in Sotschi

Hyperventilierende Körper mit am Mundwinkel festgefrorenem Sabber hecheln beim Biathlon ins Ziel. Junge Menschen mit zu weiten Klamotten knallen beim Slopestyle aus 7m Höhe auf Rails genannte Eisenrohre und magersüchtige Skispringer versuchen nach 103m nicht mit dem Gesicht zu bremsen. Ich liebe Olympische Winterspiele! Gestern gingen sie in Sotschi mit einer fulminanten Abschlussfeier zu Ende.

Haben Sie die Eröffnungsfeier gesehen? Toll! Fast perfekt war sie. Aber nur fast, denn einer der fünf Olympischen Ringe hat sich nicht entfaltet. Darüber wurde geredet – jedoch nur bei uns. In Russland wurde nämlich kurzerhand die gleiche Sequenz aus der Generalprobe vom Vortag ins Live-Bild eingespielt. 144 Millionen russische Fernsehzuschauer glaubten, alles hätte perfekt geklappt. Der Bildregisseur muss ja eine wahnsinnige Reaktionsfähigkeit haben. Obwohl er gar nicht wissen konnte, dass der fünfte Ring geschlossen bleibt, gab es im Russischen Fernsehen nicht mal eine Zehntelsekunde Verzögerung. Wie geht das?

Das russische Live-Bild ist gar nicht Live. Die ehemalige Sowjetrepublik strahlt große Events mit etwa sieben Sekunden Verzögerung aus und nennt das dann trotzdem „Live“. Das wird gemacht, um dem Regisseur Zeit zu geben, bei unliebsamen Bildern ein anderes Kamerabild zu nehmen – oder eben mal kurz auf eine Aufzeichnung zurückzugreifen. Man will keine Bilder zeigen, die dem russischen Volk „nicht zugemutet“ werden können: Zuschauer mit pro-homosexuellen Parolen auf Plakaten, die nervigen Femenmädels, die barbusig gegen Putin plärren oder eben der geschlossene fünfte Olympische Ring bei der Eröffnungsfeier.

Bevor Sie sich jetzt aufregen und auf die Russen schimpfen: Auch in Deutschland ist der Seven-Second-Delay hin und wieder im Einsatz. Bei RTL und Sky zum Beispiel, wenn bei BigBrother „live“ ins Haus geschaltet wird. Ins BigBrother-Haus werden kantige Typen mit provakanter Meinung gesteckt um für Quote zu sorgen. Dummerweise sagen solche Charaktere manchmal Dinge, die die Landesmedienanstalt nicht gesendet sehen will. Die Abkürzung RTL steht trotzdem nicht für Russisch Television Live.

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