Lindsey Stone postete gerne Spaßbilder bei Facebook, auf denen sie neben Schildern zu sehen war, während sie vermeintlich genau das Gegenteil dessen tat, was das Schild verlangte oder verbot. Für einen winzigen Augenblick – bis das Bild im Kasten war – setzte sie sich auf die Wiese neben dem Schild „Rasen betreten verboten“ oder lächelte kurz mit Softeis in der Hand vor dem Symbol einer durchgestrichenen Eistüte.
Auf einem dieser ungehorsamen Fotos schrie sie vermeintlich laut, während sie den Stinkefinger zeigte – neben ihr ein Schild mit der Aufschrift „Ruhe und Respekt“. Das Bild finde ich eigentlich echt witzig. Stone hatte es jedoch in Arlington vor dem “Grab des unbekannten Soldaten”, auf dem zweitgrößten Soldatenfriedhof Amerikas, gemacht.
Die US-Kriegsveteranen fanden das Foto daher überhaupt nicht komisch und überzogen Stone auf das Übelste wochenlang und öffentlich mit Schimpf und Schande, bis diese ihren Job verlor und schwer depressiv wurde. Ist ein unbedachtes Überschreiten der subjektiven Geschmacksgrenze jetzt schon gesundheitsgefährdend und existenzbedrohend, weil es im Internet stattfindet?
Solange ein Witz ein Witz sein sollte – und keine gezielte Kränkung, keine Hetze und auch keine sonstwie illegale Äußerung – hat doch niemand das Recht, einen anderen anonym oder in der Masse zu beschimpfen und zu beleidigen. Es ist zur absoluten Unsitte geworden, andere Meinungen und Posts mit Häme und Beleidigungen zu überziehen – und das auch noch fast immer anonym oder unter falschem Namen. Wie feige! Ehrliche Kritik ist ja OK, aber dieses Cybermobbing? Hört auf damit! Cybermobbing wird zur Pest des 21. Jahrhunderts! Nicht nur für Lindsey Stone. Auch für Dieter Matz, Justine Sacco, Mathew Burdette, Hannah Smith, Ellen Pao, Amanda Todd und viele weitere. Vielleicht bin ich bald dran, oder ihr?
Vor einiger Zeit beobachtete ich an einem Supermarkt eine Frau, die mit einem Elektrorollstuhl angefahren kam, diesen auf einem Behindertenparkplatz parkte, ausstieg (!) und in den Laden ging (!). Das Foto des perfekt eingeparkten und verlassenen Rollstuhls vor dem blauen P-Schild mit dem Rollstuhl-Symbol darauf finde ich grandios. Ich liebe den subtilen Witz, den es ausstrahlt. Und gerne hätte ich es auf Twitter geteilt. Nur … ich trau mich nicht. Ich habe Angst, dass einige den Witz nicht mögen und mich beleidigen, weil ich ihn auf Kosten behinderter Menschen mache.
So weit sind wir schon. Nun ja, es heißt, das beste Mittel um seine Ängste zu überwinden sei, sich ihnen zu stellen. Also poste ich das Bild jetzt doch – ganz bewusst – in diesem Text und hoffe, Rollifahrer stehen zu ihrem Handycap (Wortwitz!). Außerdem erlaube ich mir zusätzlich noch einen Spaß über klein gewachsene Menschen – wie mich – zu machen: Kleine Menschen malen gerne – wenn auch hoffnungslos – mit Wachsmalkreide.
Wenn ihr Eure ungehorsamen Fotos hier sehen wollt, schickt sie bitte an ungehorsam@ichglaubeeshackt.de
Rauchen verboten: Heinze & Thilo Schrödel
Bitte keine Fahrräder anlehnen: Tobi Schrödel
Bildnachweis:
Rasen betreten verboten, Rollstuhl, Meterstab, Fahrrad (Tobias Schrödel)
Lindsey Stone in Arlington (Screenshot)