Kicken statt Wedeln

:-) Im Vorfeld der umstrittenen Urheberrechtsreform haben Kritiker immer wieder darauf hingewiesen, dass aufgrund der Menge an Bildern und Texten nur Algorithmen überprüfen könnten, ob eine Verletzung des Urheberrechts vorliegt. Und derartige Algorithmen liegen leider manchmal falsch. Insbesondere am Beispiel der (erlaubten) Satire wird das gerne festgemacht. Ein geschützter Text, der in einem bestimmten Kontext satirisch ist, ist zwar eine 1:1-Kopie, aber keine verbotene. Den Unterschied, obwohl nicht sichtbar, müsste der Algorithmus erkennen können – nur wie?

Algorithmen irren sich eh andauernd. Twitter sperrte letztens den Account der SPD Politikerin Chebli, weil sie angeblich irreführende Informationen zur Europawahl twitterte. Das war falsch. Gleiches gilt für einen Rechtsanwalt, der einen Wahlwitz (!) machte. Den ironischen Hinweis an AfD-Wähler, den Wahlschein doch bitte zu unterschreiben, nahm das System als rechtswidrige Aufforderung wahr und sperrte den Account von Thomas Stadler. Absurd. Noch dazu, weil der Tweet drei Jahre alt ist.

Techniker wissen schon lange, dass Sensoren und Algorithmen nicht wie wir „sehen“ und entscheiden können. Nur anhand von interpretierten Daten sieht sich manches ziemlich ähnlich.

Ein Beispiel aus einer anderen Welt: Manche Autos bieten als Sonderzubehör einen Sensor hinten unter dem Stoßdämpfer an, mit dem man den Kofferraum öffnen kann. Einfach mit dem Fuß wedeln, wenn man eine Kiste trägt und der Kofferraum öffnet sich wie von Geisterhand. Eigentlich sollte man meinen, dass das eine einfache Sache sei. Bewegungssensor hin. Fertig.

Und trotzdem sieht man immer wieder Menschen auf Supermarktparkplätzen, die wie wild mit dem Fuß wedeln … und das teure Sonderzubehör öffnet sich nicht.

Ein Ingenieur bei einem Automobilhersteller hat mir letztens erzählt, woran das liegt. Mit dem Fuß wedeln sieht für einen Sensor dem Schwanzwedeln einer Katze total ähnlich. Und niemand möchte, dass sein Kofferraum aufgeht, wenn eine Katze vorbeiläuft. Daher muss man mit dem Fuß eine Kickbewegung machen. Nicht Wedeln! Kicken. Der Sensor macht dann weniger Fehler, weil die Bewegung eindeutiger ist.

Das bringt mich auf eine Idee. Scott Fahlman hat 1982 das Emoticon erfunden, als er vorschlug, lustig gemeinte Texte mit :-) zu markieren, weil Menschen Foreneinträge falsch verstanden. Das könnte man ja auch heute machen. Ein Emoticon bei jedem Text im Netz würde es jedem Algorithmus leichter machen und Fehler minimieren.

Kleine Anekdote am Rande: Fahlmann wollte eigentlich andersrum Texte, die nicht witzig sind mit :-( kennzeichnen. Er meinte, das sei ökonomischer. Offenbar stand damals schon überwiegend mehr Unsinn im Netz.

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