Die Überschrift stammt nicht von mir, sondern von Gotthold Ephraim Lessing. Der deutsche Dichter der Aufklärungszeit liegt mit diesem Zitat allerdings komplett daneben. Der Satz ist falsch. Lessing sei aber entschuldigt. Er lebte von 1729 bis 1781 und da gab es die FIFA schließlich noch nicht.
In gut einem Monat, also mitten in der Vorweihnachtszeit, startet die Fußball WM im Wüstenstaat Katar. Was sich so falsch anfühlt wie erste Lebkuchen im Supermarktregal im August, ist gewollt. Und zwar vom 24-köpfigen FIFA-Exekutiv-Komitee, das die WM nach Katar vergab und von denen laut einer BBC-Recherche ein Drittel unter Korruptionsverdacht steht. Was sollte da schon schief gehen.
Und so spielt unsere Nationalmannschaft in Stadien, bei deren Bau laut „Amnesty International“ über 15.000 Arbeiter gestorben sind. Das ist ein Menschenleben etwa alle 20 Spielsekunden – Verlängerungen jedoch nicht mitgerechnet. Eigentlich kann man den Arbeitern nur empfehlen, sich als homosexuell zu outen. Dann müssen sie in Katar zumindest nicht mehr wie „moderne Sklaven“ auf Baustellen schuften. Sie bekommen dann ein Zimmer mit Bett und werden kostenfrei (von Gefängniswärtern) verpflegt.
Für Hetero-Fans hingegen dürfte es schwieriger werden, ein freies Zimmer zu bekommen, denn die Hotelkapazitäten in Katar sind begrenzt, weswegen täglich bis zu 160 Pendelflüge die Zuschauer von und in die Nachbarstaaten Dubai oder Bahrein fliegen. Aber bitte nicht aufregen! Das dabei freigesetzte CO2 spielt selbst für Klimaschützer keine Rolle. Bei acht in der Wüste stehenden und nach oben offenen Fußballstadien, die wie ein riesiges, offenes Kühlregal im Supermarkt dauergekühlt werden, ändern die paar Flüge vermutlich nur die dritte Nachkommastelle im CO2-Haushalt der WM.
Trotz aller Kritik möchte ich aber nicht unter den Teppich kehren, dass das große öffentliche Interesse bereits zu Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen in Katar geführt hat. Wir sollten auch keine Wunder erwarten, dass sich gewachsene Traditionen innerhalb weniger Tage zu „unseren Werten“ ändern. Das eigentliche Problem ist in meinen Augen auch nicht Katar, sondern die FIFA, die immer wieder „Werte des Fußballs“ hochhält und sich dann hintenrum die Taschen gleich mit der Schubkarre vollmacht und zudem immer wieder Weltmeisterschaften in Länder vergibt, die das politisch instrumentalisieren oder wo das geographisch einfach bekloppt ist.
Was mich aber als Datenschützer an der WM 2022 irritiert, ist die Tatsache, dass Katar bei der Einreise allen Fans vorschreibt, dass sie zwei Apps auf ihr Handy laden müssen. Einmal ist das „Ehteraz“, eine Art Corona-Warn-App, die den Behörden praktisch Vollzugriff auf das Handy ermöglicht. „Ehteraz“ überwacht WLAN und Bluetooth-Verbindungen und trackt welche Handys in der Nähe sind und damit auch, mit wem man sich trifft. Ebenfalls verpflichtend ist die WM-App „Hayya Card“. Diese App verlangt Zugriff auf persönliche Informationen, die sie ohne Einschränkung teilen darf. Und damit die Veranstalter jeden WM-Besucher im Fall der Fälle auch immer und überall erreichen können, darf die App permanent den Standort weitergeben und unterdrückt sogar den Sleep-Mode, wenn man eigentlich seine Ruhe haben und keine „Bing – neue Nachricht eingegangen“ Infos erhalten will.
Da beide Apps verpflichtend für WM-Touristen sind, kann man Gotthold Ephraim Lessing nur korrigieren: Kein Mensch muss müssen – außer er will Fußball schauen.
Bildnachweis: Screenshot der App aus dem App Store