Ich mache heute selbstverständlich Online-Banking. Ich bezahle das Parkticket per App. Und ich bestelle meinen Personalausweis ganz bequem digital bei der Behör …. ach ne, sorry, das war das mit zwei persönlichen Terminen vor Ort und der langen Wartezeit.
Aber im Supermarkt, da geht es jetzt auch komplett digital. Komplett wohlgemerkt. Und nicht mit diesen schrecklichen SB-Kassen. Gestern habe ich der Neueröffnung eines Supermarktes beigewohnt, der ohne Kassen auskommt. Also komplett. Keine Kasse, nicht mal SB! Der ganze Markt des „Rewe Pick & Go“ in München ist mit Kameras ausgestattet und die Regale mit Gewichtssensoren. Beim Betreten des Marktes wird ein QR Code in meiner App gescannt und ab dann werde ich von den Kameras erfasst und „begleitet“. Anhand von Statur und Gangprofil führt mich das System als „Kunde #4“, eine Gesichtserkennung findet laut Anbieter nicht statt. Die Daten werden auch nicht länger gespeichert als für den Einkauf notwendig.
Ich laufe also durch die Gänge und stecke in die Tasche, was ich brauche. Die Gewichtssensoren an den Regalen merken, was ich genommen habe und das System zählt so mit, was in meinem Einkaufskorb liegt. Beim Verlassen des Ladens fehlt dann etwas. Es gibt keine Schlange, es gibt keine Kasse. Kein Piep von Scannern. Gar nichts. Ich gehe einfach durch den Ausgang und eine gute Minute später wird meine Kreditkarte belastet und in meiner App erscheint der Kassenbeleg. Alles passt. Auch ein zweiter Test, bei dem ich mit einer bereits gekauften Flasche Orangensaft in den Markt hineingehe und mit zwei Flaschen den Markt wieder verlasse, funktioniert reibungslos. Ich bezahle nur den neu entnommenen Saft.
Ehrlich gesagt bin ich kein Freund davon, dass Arbeitsplätze wegdigitalisiert werden. In Zeiten von Fachkräftemangel und steigenden Preisen kann das aber eine Möglichkeit sein. So halte ich einen solchen Laden zum Beispiel in ländlichen Gegenden für eine großartige Alternative, wenn sich dort ein normaler Markt einfach nicht rechnet. Dann kann man Grundnahrungsmittel immer noch vor Ort kaufen. Auch ohne Auto. Insbesondere für ältere Menschen dürfte das ein Segen sein.
Was mir aber abgehen wird, wenn sich Supermärkte ohne Kassen flächendeckend durchsetzen, ist diese kollektive Geseufze. Sie wissen schon. Der Moment, wenn sich alle Wartenden vor der Kasse anschauen und dieser spezielle Moment der Gemeinsamkeit entsteht. Der Moment, wo wir alle im selben Boot sitzen. Der Moment, in dem wir wissen, wir sind ein Team. Der Moment, in dem wir wissen, wir stehen hier gemeinsam noch drei Minuten länger an. Der Moment in dem aus dem Lautsprecher kommt: „Bitte Storno an Kasse vier.“
Und die unbeschreibliche, ja geradezu orgiastische Freude, wenn man hört „Kasse vier öffnet jetzt“
„STORNO“ geht ja noch. Bei uns sagt jeder 2. Kunde „warten sie, ich habs, glaub ich, genau“ und dann werden Groschen, pardon Cent gezählt. Woher haben alle so viel Kleingeld?
Vielleicht ganz interessant zum Punkt «Auf dem Land»:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-dorfladen-2-100.html