Alle reden von Vorratsdatenspeicherung. Nur welche Daten sollen denn überhaupt auf Vorrat gespeichert werden?
Manche Menschen sammeln ja alles und werfen nichts weg. Wer schon mal neben einem Messie gewohnt hat, weiß, dass das alles andere als lustig ist. Kurzum – ein derartiges Verhalten sollte man keinesfalls fördern. Dumm nur, dass die Politik genau das will. Gut, jetzt nicht beim Nachbarn, aber bei den Internet- und Telefon-Providern. Die sollen bald wieder alles aufheben müssen und dürfen dann nix mehr wegwerfen, was sie an Daten haben. Vorratsdatenspeicherung heißt das dann, oder abgekürzt: VDS.
Das Thema ist derzeit oft genug in der Presse (zufällige Links: 1, 2, 3, 4, 5 oder 6) und jeder kann für sich die Gründe dafür und dagegen in Ruhe bewerten.
Wie bei der Organspende gibt es irgendwie nachvollziehbare Gründe in jede Richtung – je nachdem ob man für Sicherheit sorgen soll (z.B. Innenminister) oder einfach die freiheitlichen Grundrechte höher einschätzt und eine anlasslose Überwachung aller Bürger ablehnt (z.B. Datenschützer). Nur: was für Daten sollen denn überhaupt gespeichert werden? Grob gesagt, gibt es zwei Kategorien: Verkehrs- und Bestandsdaten.
Verkehrsdaten sind Informationen, die bei der Benutzung von Internet und Telefon anfallen. Dazu gehört, wer mit wem telefoniert. Ebenso, wann das alles ist und wie lange ein Gespräch dauert. Dann noch, welcher Dienst genutzt wird (z.B. SMS oder Internettelefonie) und beim Handy sogar noch die Standortdaten.
Bestandsdaten sind dann die Informationen, die den Verkehrsdaten eine Identität geben, diesen also eine Person zuordnen. Sie sind festgeschrieben, haben also Bestand und sind z.B. Vor- und Nachname, Adresse und Kontonummer der Person, die den Vertrag für Telefon und Internet abgeschlossen hat. Ebenso die Handy- oder Telefonnummer, die einem zugeordnet wurde.
Uneins scheint man sich bei der dynamischen IP-Adresse zu sein, mit der wir im Internet surfen. Ein vielzitiertes Urteil zählt sie jedoch zu den Bestandsdaten – obwohl sie gar nicht festgeschrieben ist, weil sie sich täglich ändert. Das ist ganz wichtig für die Abmahnanwälte, denn an Bestandsdaten kommt man – einfach ausgedrückt – schon bei einer vermuteten Ordnungswidrigkeit heran. Für Verkehrsdaten müsste man einen Richter schon davon überzeugen, dass diese Information eine Straftat verhindern oder zumindest aufklären kann.
Aber eines vielleicht noch als Ergänzung: Die Inhalte der Daten sollen nicht ausgewertet oder gespeichert werden. Ihre Emails werden also nicht gelesen und genau so wenig hört jemand Ihre Telefonate mit. Das brauchen die auch gar nicht. Wenn Sie mit Ihrem Steuerberater telefonieren und unmittelbar danach einen Anwalt anrufen, wird es nur noch spannend, ob Sie anschließend für Ihre Fluchtplanung auf www.expedia.de surfen* oder doch bei www.seil-shop.de nach 3m reißfestem Strick suchen.
* Der Haken an meiner Geschichte: Die aufgerufenen Webseiten werden bei der VDS nicht gespeichert. Das liegt aber nicht unbedingt daran, dass das nicht gewünscht ist, sondern daran, dass das technisch kaum realisierbar ist – außer die „ganze Welt“ würde mitsammeln.
Okay, aber inwieweit hilft die Vorratsdatenspeicherung dann der Terrorismusbekämpfung? Es werden ja schließlich nur die Verbindungsdaten aufgezeichnet, werden diese dann mithilfe von Programmen (Stichwort: pattern matching) nach ungewöhnlich vielen Gesprächen zwischen zwei bekannten Terroristen durchwühlt? Oder werden diese Daten nur benutzt um bereits geschehene Straftaten aufklären zu können? (Das mit den e-mails lesen übernehmen ja schließlich schon unsere amerikanischen Freunde)
Wikipedia: „In Frankreich wurde die Vorratsdatenspeicherung mit 12-monatiger Speicherung im Rahmen der Gesetze zur Terrorismusbekämpfung am 23. Januar 2006 eingeführt.“
Und das mit der konkreten Terrorismusbekämpfung, mithilfe der Vorratsdatenspeicherung, scheint ja auch noch nicht so gut zu funktionieren … Wobei ich denke, dass jeder halbwegs internetaffine, böse Bursche etwas von IP-Adresse verschleiern versteht.
Vielleicht benutzen Straftäter ja bald wieder den guten, alten Brief :)
Es wird sicherlich beides gemacht. Sprunghaft ansteigende Kommunikation in einem „Gefährderumfeld“ deutet auf baldige Aktivität hin. Und dann … wenn man einen erwischt hat, stellt sich ja die Frage Alleintäter oder Gruppe? Ich bin ja gespannt, wann wer tatsächlich an die Daten rankommt.
Das mit dem Brief ist eine gute Idee. Die Russen haben nach Snowden ja einige hundert gute alte Schreibmaschinen bestellt. Mit Stoff-Farbbändern wohlgemerkt, damit man die Abdrücke der Typen nicht lesen kann ;-)