Digitaler Türsteher

Ziemlich oft schon habe ich im Privatleben den typischen Türsteher-Spruch „Du kommst hier nicht rein!“ gebracht. Aus Spaß natürlich, wenn gute Freunde vor der Tür standen, die dann natürlich herzlich begrüßt wurden. Der Spruch ist das Klischee schlechthin, wenn ich an die Türwächter von Diskotheken und Clubs denke. Natürlich habe ich in meiner Jugend den Satz auch selbst zu hören bekommen. Als pickeliger 16-Jähriger der den Muskelprotzen an der Tür gerade mal bis zur Gürtelschnalle reichte, war die Chance in die besonders angesagten Clubs zu kommen, praktisch bei null.

Am letzten Novemberwochenende hörte Kelly Conlon aus New Jersey auch: „Du kommst hier nicht rein.“. Sie war zusammen mit weiteren Eltern und Kindern aus der Pfadfindergruppe ihrer Tochter in New York und wollte die berühmte Weihnachtsaufführung der Rockettes in der Radio City Music Hall ansehen. Die 90-minütige Show der Präzisionstanzgruppe gehört in den USA zu Weihnachten wie die Eislaufbahn am Rockefeller Center.

Doch als Kelly Conlon mit ihrer Tochter durch den Metalldetektor am Eingang schritt, kamen zwei Security-Mitarbeiter auf sie zu und sprachen sie direkt mit Namen an. Der irritierten Mutter wurde mitgeteilt, dass zwar die Tochter die Show genießen könne, sie hingegen nicht. Conlon wurde hinauseskortiert und musste draußen auf das Ende der Veranstaltung warten, während ihre Tochter zwar mit Freundinnen, aber ohne Mutter im Publikum saß.

Der Grund für das Hausverbot ist so absurd, wie beängstigend. Conlon arbeitet in einer Anwaltskanzlei, die Klagen gegen ein Restaurant vertritt, das ebenso wie die „Rockettes Show“ Teil der Firmengruppe MSG Entertainment ist. Zwar arbeitet Conlon an keinem Verfahren gegen MSG mit, aber die Unterhaltungs-Firma scheint keinen Bock darauf zu haben, dass Angestellte von „unfreundlichen Firmen“ in ihrem Publikum sitzen und eine gute Zeit haben.

MSG hat deshalb am Eingang zur Radio City Hall ein Gesichtserkennungssystem installiert. Damit werden zur Erhöhung der Sicherheit Kriminelle – und Rechtsanwälte gegnerischer Kanzleien – abgewiesen. Ziemlich beängstigend, dass eine große Firma nach eigenem Gusto entscheidet, wer an einer öffentlichen Großveranstaltung teilnimmt. Ich frage mich zudem, woher das System die biometrischen Vergleichsdaten von Kelly Conlon hat? Ich kann nur raten. Vielleicht von der Firmenwebseite ihrer Kanzlei („Unser Team“) oder aus sozialen Netzwerken.

So oder so ist die Geschichte ein absolutes Negativbeispiel, wie der Missbrauch von Daten und Fotos aussehen kann. Nicht nur von Schurkenstaaten, sondern eben auch von Unterhaltungsunternehmen. Ich möchte lieber von einem Muskelprotz an der Tür abgewiesen werden als von einem anonymen Gesichtserkennungssystem. So eine Kamera hat nämlich keinen 3er BMW, dem man aus Rache die Luft rauslassen kann.


Interview mit Kelly Conlon: https://www.nbcnewyork.com/investigations/face-recognition-tech-gets-girl-scout-mom-booted-from-rockettes-show-due-to-her-employer/4004677/

Bildnachweis: skvidal  Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rockettes_2239923477_139ea932b2.jpg

3 Kommentare zu “Digitaler Türsteher

  1. Na ja, auf der einen Seite ist es das Recht eines Veranstalters jemanden reinzulassen oder auch nicht. Autokratische Systeme praktizieren Gesichtserkennung ja schon länger mit immer besserer Präzision und in noch schlimmeren Ausmaß, bis hin zur öffenlichen Anprangerung. Erschreckend ist es aber, dies von einem doch eigentlich demonkratischen Land zu hören.

    • Ich finde angemessene Gesichtserkennung zB an Flughäfen, um mit einem Menschen (Zöllner:in) genauer hinzusehen, wenn das System anschlägt durchaus in Ordnung. Was ich in Frage stelle, sind die dahinter liegenden Richtlinien. Ich bin nicht einverstanden, wenn ein Großunternehmen seine AGB durchsetzt und diese AGB dann für tausende Menschen wie Gesetze wirken. Dann stimmt was nicht. Ein Großunternehmen muss es aushalten, dass rechtsstaatlich vor Gerichten Themen ausgetragen werden, bei der jemand anderer Meinung ist. Ich stelle mir gerade vor, wie es wäre, wenn die Mitarbeiter von Mars und Coca Cola nicht mehr bei Rewe & Edeka einkaufen dürften und an der Tür abgewiesen werden. Oder wenn Mitarbeiter von Rewe & Edeka kein Snickers, Bounty, Chappi für den Hund, Uncle Ben’s Reis oder Miracoli mehr kaufen dürften, nur weil die Arbeitgeber Streitigkeiten über Preiserhöhungen haben/hatten.

  2. Über AGB´s kann man sicher trefflich streiten, auch, ob alles was darin steht rechtlich haltbar ist. Aber Unternehmen können eben, zumindest rechtlich gesehen festlegen, wer ihren Laden betreten darf und wer nicht. Ob das oppertun ist solches zu tun, lasse ich mal dahingestellt, aber rechtlich ist es nun mal möglich. Unternehmen können ja auch eigenständig und ohne jemand fragen zu müssen, Hausverbote aussprechen.

    Gesichtserkennung in sicherheitskritischen Bereichen hingegen macht sicher Sinn. Allerdings auch nur so lange, wie die Daten nicht dauerhaft gespeichert und / oder z.B. als Bewegungsprofil ausgewertet werden. Wobei ich gar nicht wissen will, was moderne KFZ oder auch smarte Geräte wie z.B. Fernsehgeräte, Alexas & Co., alles speichern und nach extern weitergeben.

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