Dieser Text wird zu Schulungszwecken aufgezeichnet.

Egal in welchem Call Center man heutzutage anruft, fast immer erklärt einem eine Stimme vom Band, dass das nun folgende Gespräch „zu Schulungszwecken“ aufgezeichnet wird. Wobei das ja nicht nur das jetzige Gespräch von mir betrifft, sondern auch alle anderen Gespräche, die soeben parallel von anderen Mitarbeitern des Call Centers geführt werden.

junger Mann mit HeadsetEs können aber gar nicht alle Gespräche zu Trainingszwecken genutzt werden – sonst müssten ja genauso viele Mitarbeiter zeitgleich Gespräche zu Trainingszwecken anhören. Das bedeutet, dass diese gar nicht aufgezeichnet werden müssten, denn die Trainierten könnten dann ja auch gleich „live“ zuhören. (Kapiert?)

Welche Kriterien gelten eigentlich?

Welche Gespräche werden also für Schulungszwecke „herausgepickt“ und nach welchen Kriterien? Was passiert mit den anderen 99,99% der Aufzeichnungen und wie lange werden diese gespeichert? Und darf die angerufene Firma die Aufnahme auch zu anderen Zwecken nutzen? Bei einem Streit zum Beispiel, ob das ein oder andere (Schimpf-)wort gefallen ist? Im Netz gibt es dazu wenig Informationen. Offenbar hat noch niemand deshalb geklagt.

Zustimmung muss eindeutig sein

Die Juristen sagen, dass dem Speichern eines Telefonats eine eindeutige Zustimmung meinerseits vorangehen muss. Eine Ansage während der Warteschleife reicht da angeblich nicht aus. Trotzdem macht es jeder. Manche Banken und Sparkassen sind sogar noch schlauer. Die sagen einfach gar nichts und zeichnen trotzdem alle Anrufe auf. Die Erlaubnis dazu haben Sie übrigens bei der Kontoeröffnung selbst gegeben. Schauen Sie dazu mal in Ihre AGB.

Es kommt noch schlimmer …

Wir sollten uns daran gewöhnen – nicht aber damit anfreunden – dass Firmen ALLES über uns erfahren möchten. James Akrigg von Microsoft zum Beispiel erklärte in einem Vortrag* einmal, dass „in Windows 10 anonym Daten erfasst und ausgewertet werden.“ Soweit keine Neuigkeit. Aber: Er sagte weiter, dass Microsoft weiß, „dass nur noch 6% der User die Tastenkombination Alt-Tab zum hin- und her wechseln zwischen zwei Programmen nutzen.“

Bitte was? Die Erfassen sogar, ob ich per Maus oder Tastatur im Multitasking Programme switche? Machen wir uns nichts vor. DANN können wir davon ausgehen, dass die alles auswerten, was nur irgendwie möglich ist. Wahrscheinlich auch, wie oft ich mit Backspace Tippfehler beim Schreiben dieses Textes korrigiert habe. Ich habe nicht mitgezählt, schätze aber … 78 mal? Vielleicht kann das ja mal einer bei Microsoft nachsehen. Rein zu Schulungszwecken natürlich.


* auf der IP Expo 18./19. Mai 2016 in Manchester

Bildnachweis: Janina Dierks via Fotolia

5 Kommentare zu “Dieser Text wird zu Schulungszwecken aufgezeichnet.

  1. Hallo Tobias, Gesprächsaufzeichnungen sollten datenschutzrechtlich unter Beobachtung stehen. Daher finde ich Deinen Text interessant und wichtig. Für das Qualitätsmanagement im CallCenter ist es von Bedeutung, Kundegespräche zu „Schulungszwecken“ zu haben, mit deren Hilfe die Agents geschult werden können. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Calls ist allerdings nicht so groß, wie es den Anschein geben mag. Zum einen widersprechen inzwischen eine Menge der Aufzeichnung, zum anderen werden auch nicht alle Gespräche aufgezeichnet. Eine 100% Aufzeichnung ist aus arbeitsrechtlichen Gründen schon nicht möglich. Die EU DSGVO wird darüber hinaus zukünftig die Diskussion um die Art und Weise der Einwilligung befeuern und hoffentlich zu der gewünschten Harmonisierung führen. VG Barbara

  2. > DANN können wir davon ausgehen,
    > dass die alles auswerten, was nur irgendwie möglich ist.
    Bedeutet das, dass sie alle Tastatureingaben aufzeichnen, also auch Passworte?
    Wie kann man das validieren?
    Gruß, BE

    • Das denke ich nicht. Es war nur die Sprache von statistischen Daten. Offenbar gibt es aber einen Zähler, wie oft man Applikationen wechselt – und wie man das macht.
      Da das Übertragungsformat dieser statistischen Daten sicher proprietär ist (und wahrscheinlich verschlüsselt) kann man das jedoch nicht validieren. Ich persönlich schließe aber eine Text-/Passwortüberwachung seitens M$ aus. Das wäre „Selbstmord“, wenn das rauskommt.

  3. Keine Ahnung ob das noch wer ließt.

    Es geht gar nicht um den Kunden. Wenn überhaupt würde das Gespräch nur gegen den Kunden verwendet wenn er sich strafbar macht zb Mord/Bombendrohungen ansonsten ist der Kunde gar nicht relevant (Auch nicht um sein Anliegen zu lösen).
    Es geht um Kontrolle der Mitarbeiter welche dann unter Druck gesetzt werden Qualität und Leistung einzuhalten. Man hält den Mitarbeitern diese Gespräche vor und analysiert was dieser falsch und besser machen muss.
    Zu diesen Zweck muss der MA zu Beginn des Arbeitsverhältnis eine Einwilligung unterschreiben. Er wird also vornherein dazu genötigt. Er könnte laut DsGVO jederzeit widerrufen.. wird er aber nicht da sonst argumentiert wird das dies nicht anders lösbar wäre und somit der Arbeitnehmer nicht oder erschwert in Callcenter arbeiten kann.

    Ich würde mich gerne dagegen wehren kann dies aber nicht weil so mein Arbeitsplatz gefährdet ist.
    Das Datenschutzgesetz wird also übergangen.

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