Das Schloss zum Schlüssel

In meinem kleinen Heimwerker-Werkzeugschrank zu Hause habe ich neben diversen Zangen, Schraubenziehern (Pedanten sagen Schraubendreher) und einem Hammer auch ein kleines Kistchen. In diesem sind etwa 20 Schlüssel. Alte Bartschlüssel und Zylinderschlüssel. Sie stammen von Zimmertüren früherer Wohnungen oder von Fahrradschlössern, deren dazugehörige Räder schon längst geklaut wurden – samt Schloss natürlich. Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, warum ich die ganzen Schlüssel aufhebe, denn ich kann damit nichts anfangen. Ein Schlüssel ohne Schloss ist wertlos. Und ein Schloss ohne Schlüssel auch. Vielleicht hege ich ja die Hoffnung, dass irgendwann mal jemand an meiner Türe klingelt und mit mir nicht über Gott reden möchte, sondern mir ein Schloss schenkt. Ein Schloss, das zu einem der Schlüssel passt, die in dem Kistchen in meinem kleinen Heimwerker-Werkzeugschrank liegen.

Aber wer um alles in der Welt sollte so bescheuert sein, kostenlose Schlösser ohne Schlüssel zu verteilen? Es gibt diesen Menschen tatsächlich – er heißt Eric Lundgren. Er macht das, damit wir die unbenutzbaren Schlüssel aus unseren Heimwerker-Werkzeugschränken nicht irgendwann in den Müll werfen. Lundgren ist nämlich passionierter Müllvermeider. In seiner Firma werden jährlich etwa 10.000 Tonnen Elektroschrott recycelt. Am liebsten wäre es Lundgren, wenn insbesondere ältere Laptops gar nicht erst bei ihm landen, sondern weiterhin genutzt werden würden. Die Weiterverwendung, so stellte er fest, scheitert in vielen Fällen aber daran, dass es keine Windows-Installations-CDs mehr gibt. Zwar klebt an der Unterseite vieler Laptops ein original Microsoft Lizenzschlüssel, das Installationsmedium fehlt aber. Die Leute haben also Schlüssel, aber kein Schloss in Form einer CD.

Wie die Washington Post berichtet, ließ Lundgren daher in China fast 50.000 Windows CD (die passenden Schlösser) pressen und wollte diese kostenlos mit gebrauchten Laptops verteilen. Ohne geklauten (Lizenz-)Schlüssel wohlgemerkt! Die CDs sind also nur dann nutzbar, wenn der User einen gültigen und bezahlten Schlüssel von Microsoft hat. Dem Zoll und Microsoft war das allerdings egal. Sie verklagten Lundgren und ein Gericht verurteilte ihn nun wegen Raubkopierens zu 50.000$ Strafe und fünfzehn Monaten Gefängnis.

Auch wenn mein Vergleich Schlüssel-Schloss ein wenig hinkt, denn Software-Lizenzen sind komplexer zu betrachten: Die CDs sind zwar nicht ganz wertlos, aber ohne Lizenzschlüssel zumindest nutzlos. Mein Vorschlag an Microsoft wäre daher, dem naiven Herrn Lundgren lieber 50.000 Rabatt-Gutscheine für die aktuellste Windows-Version zu geben, die er mit den alten Geräten verteilen soll. Das bringt Neukunden und Microsoft könnte die Anzeige zurückzuziehen.

Verliert Lundgren nämlich die Revision, dann geht er ins Gefängnis. Dort hat er dann zwar ein Schloss in der Tür, aber definitiv keinen passenden Schlüssel. Ich schaue aber gerne mal in dem kleinen Kästchen in meinem Heimwerker-Werkzeugschrank nach … vielleicht passt ja zufällig einer von mir.

 


Bildnachweis: (c) angelo.gi via fotolia

3 Kommentare zu “Das Schloss zum Schlüssel

  1. So ganz kann ich die Verurteilung von Herrn Lundgren nicht nachvollziehen. Die entsprechenden ISO-Dateien des Betriebssystems kann man sich kostenfrei herunterladen. Der Umweg über das Brennen auf CD macht eigentlich nur Sinn, wenn man eine sehr langsame Internetanbindung hat, etwa in Entwicklungsländern oder im ländlichen Raum von Deutschland.
    Allerdings hätte ich Herrn Lundgren bereits im Vorfeld geraten, auf eine freies Betriebssystem wie Linux zu setzen. Zum einen hätte es dann keine Ärger mit der Justiz gegeben, zum anderen bekommt man mit den modernen Linuxsystemen, etwas Ubuntu, Linux mint oder OpenSuse, gratis und legal ein umfangreiches Paket an Software, einschließlich eines Office-Programms dazu.
    Ach ja, wer über keinen Lizenzschlüssel des Herstellers aus Redmond mehr verfügt, kann diesen auch preiswert erwerben. Die Stichworte „gebrauchte Software Lizenzen“ in einer Suchmaschine helfen hier weiter.

  2. Für wiederaufbereitete Computersysteme gibt es von MS spezielle Lizenzen: MAR (Microsoft Authorized Refurbisher).

    In Europa hätte er wohl weniger Probleme. Hier dürfen Windows OEM Lizenzen auch ohne Hardware verkauft werden. In den USA gilt die von Microsoft geforderte Hardwarebindung. Und nach MS-Definition besteht eine Windows-Linzenz aus: Produktkey bzw. in der Hardware hinterlegtem Aktivierungskey, Installationsmedium und bei Boxed-Produkten dem Handbuch.
    Ist ein dieser Komponenten nicht mehr verfügbar, erlischt die Lizenz.

    In der EU kaufe ich dann einfach eine neue OEM im Laden, in den USA einen neuen PC.

  3. Wenn ich die Programme des Softwaregiganten nicht zwingend benötigen würde, weil meine Firmensoftware nur mit diesen zusammenarbeitet, wäre die Software längst von meinen Rechnern getilgt. Es gibt genügend OpenSource-SW die mindestens das selbe kann, incl. Betriebssystem.

    Ich finde es eine Unverschämtheit, jemanden anzuklagen und zu verurteilen der eine Software kopiert, die ohne Softwareschlüssel nur den Materialwert der DVD darstellt auf der sie gebrannt wurde. Ich bin der Meinung, dass es auch ein Zeichen geistiger Beschränkheit der rechtsprechenden Gewalt ist, die solche Urteile ausspricht. Und aufgrund einer Meinung, kann mich, zumindest im Augenblick, auch niemand verklagen. Denn die Gedanken sind frei.

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