Das ist er doch, oder?

Manchmal kommt jemand auf mich zu und sagt: »Mensch, Tobias, lang nicht mehr gesehen!« und ich denke mir (leise!) … ‚Äh, noch nie gesehen! Wer bist Du?‘. Je nach Situation versuche ich die selbige dann zu retten. Entweder durch ein überzeugendes »Ja Servus! Stimmt. Wie geht’s?« oder mit einem »Ah, Mensch … das war … in … puh. Schon länger her …  Hilf mir auf die Sprünge, bitte! …«

Für Gesichtserkennung gibt es heute Software. PimEyes zum Beispiel. Das funktioniert hervorragend und identifiziert auch die hübsche Blondine, die mir im Café gegenübersitzt. Mit PimEyes haben Journalisten die RAF Terroristin Daniela Klette in Berlin identifiziert.

Zukünftig sollen Behördenmitarbeiter immer öfter eine Gesichtserkennung machen – meint ein Richter am Verwaltungsgericht Berlin. Allerdings meint er nicht Polizeibeamte, sondern die Mitarbeiter in den KFZ-Zulassungsbehörden. Und auch nicht zur Ergreifung von Terroristen, sondern zur Identifizierung von Autofahrern, die zu schnell gefahren sind. Ernsthaft. Und da PimEyes in der EU gar nicht zulässig ist, sollen sie die Google-Bildersuche nutzen.

Und das kam so: Die Berliner Zulassungsbehörde hat eine Firma verpflichtet, ein Fahrtenbuch zu führen. Das darf die Behörde verlangen, wenn es einen Verkehrsverstoß gab, sich niemand schuldig bekennt und auch nicht ermittelt werden kann, wer das Fahrzeug – hier ein Firmenwagen – zu dem Zeitpunkt gefahren hat. Die Firma legte Beschwerde gegen diese Auflage ein – und bekam Recht. Denn bevor so eine Fahrtenbuchverpflichtung ausgesprochen werden kann, muss die Behörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Fahrerermittlung getroffen haben.

Der Richter höchstpersönlich bewies der Behörde, dass der Fahrer anhand des Blitzerfotos ganz einfach ermittelt werden kann. Da es sich um ein sauteures Fahrzeug der Oberklasse handelte, mutmaßte der Richter, dass damit wohl nicht die Azubine oder der Lagermeister fahren würde.

Er startete also kurzerhand Google, gab den Firmennamen und den Namen des Geschäftsführers ein und BINGO! Schon lieferte die Bildersuche das XING-Profilfoto des Geschäftsführers – der laut Richter eindeutig die Person ist, die auf dem Beweisfoto das Fahrzeug lenkt, das innerorts mit 30 Sachen zu viel auf dem Tacho unterwegs war.

Oh je. Da hat der Richter dem Datenschutz aber einen Bärendienst erwiesen. Auch wenn Google heute »dem Stand der Technik« entspricht und für die Bedienung keine weiteren Fähigkeiten erfordert, wie der Richter im Urteil festhält, graust es mir. Allein die Vorstellung, dass in deutschen Amtsstuben jetzt Beamte sitzen und Bilder auf Google mit denen aus Verkehrskameras vergleichen. Und dann noch so Konversationen führen wie: »Die Augen stimmen, aber …. Neee, das ist er nicht, oder? Guck doch mal die Ohren, die sind ganz anders!«

Und die motivierende Losung beim morgendlichen Abteilungsmeeting des Büroleiters in der Zulassungsstelle heißt dann nicht mehr »Nun lassen Sie den Amtsschimmel mal kräftig wiehern!«, sondern »Auf geht’s, Leute! Und immer der Nase nach!«

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