Was mir letztens in der Bahn mit der Schaffnerin passiert ist, ist echt typisch für den Zustand in diesem Land. Ich saß im ICE von Köln nach Hannover und hatte aus Versehen ein Kinderticket gelöst. Das ist billiger als ein Ticket für einen Erwachsenen. Mit diesem Ticket saß ich im Zug und als die Schaffnerin mich kontrollierte, fragte sie „Und das Kind ist bitte wo?“. Ich schaute sie fragend an, da ich meinen Fehler selbst noch gar nicht bemerkt hatte. Ich habe schon hunderte Bahntickets online gekauft. Natürlich immer für einen Erwachsenen, ich bin schließlich 47! Und schon begann die Zugbegleiterin mahnend mit dem Finger auf die 0 bei Erwachsenen und die 1 bei Kind zu tippen. Poch. Poch. Poch. Da! Schau! Kinderticket!
Und weil ich einen dummen Spruch vermeiden wollte – man liest ja so oft über unfreundliche Schaffner bei der Bahn – zückte ich schnell meine Kreditkarte, um nachzuzahlen. Doch dann sagte die Frau zu mir: „Wissen Sie was … Sie sehen so jung aus, ich glaube das passt heute schon so.“ Offenbar habe ich so überrascht ausgesehen, dass sie gemerkt hat, dass ich nicht betrügen wollte, sondern einen Fehler gemacht hatte. Wir wünschten uns einen schönen Tag und sie ging einfach weiter. Ohne Nachzahlung, die ihr fraglos zustand, dafür beide mit einem Lächeln und einem guten Gefühl.
Diese Anekdote habe ich einem Arbeitskollegen erzählt, den ich sehr schätze und er antwortete: „Die Presseberichte, in denen ewig wiederholt wird, wie schlimm und unfreundlich alles ist, halte ich in ihrer Häufigkeit für nicht repräsentativ – sie passieren zumindest mir dafür viel zu selten.“
Darüber habe ich nachgedacht. Es gibt zwar unfreundliche Schaffner bei der Bahn, aber sie sind eigentlich wirklich eine Ausnahme. Und Ja, es gibt auch unfreundliche Kassierer in Supermärkten, aber auch das sind nur ein paar wenige. Und Ja, es gibt Menschen, die sich im Supermarkt oder im Stau vordrängeln, aber die meisten warten, bis sie dran sind. Und Ja, es gibt auch Nazis in Deutschland, aber der Großteil der Menschen lehnt diese Denkweise ab. Und Ja, es gibt auch Anarchos, die Autos anzünden und Polizisten mit Steinen bewerfen, aber die, in deren Namen sie das angeblich machen, lehnen Gewalt weitgehend ab. Und Ja, es gibt auch Polizisten, die unverhältnismäßig und ruppig Demonstranten angehen, aber die allermeisten tun das nicht, sondern helfen sofort, wenn wir um Hilfe rufen oder bedroht werden. Und Ja, es gibt auch Männer, die mit sexistischen Sprüchen Frauen belästigen, aber der überwiegende Teil macht ernstgemeinte Komplimente ohne Hintergedanken, wenn sie eine Frau auf ihr Aussehen ansprechen. Und Ja, es gibt auch „Fußballfans“ die prügeln, aber 99% der Stadionbesucher feuern einfach lautstark ihre Mannschaft an.
Auch wenn nicht alles rosarot ist und es natürlich auch (ernste) Probleme gibt … Mein Bekannter findet, dass „wir abseits der Klischees in einem überwiegend sehr freundlichen Land mit richtig netten Menschen leben – natürlich vor allem dann, wenn wir selbst freundlich auftreten.“ Gehen Sie doch mal raus auf Deutschlands Straßen. Sehen Sie sich um und probieren Sie es aus. Er hat verdammt noch mal Recht. Schönen Tag noch!
Hallo Tobias, ein cooler Beitrag, in diesen doch heißen Tagen :-)
Regt doch sehr zu nachdenken an…..
Danke für diesen Beitrag. Wir sind nur allzu sehr darin gefangen, primär die negativen Dinge zu sehen. Im Schwäbischen gibt es den Spruch „Ned gschimpft, isch g`lobt gnuag“. Vielleicht sollten wir uns öfters mal die positiven Dinge in´s Bewusstsein rufen. Denn wenn man es realistisch bewertet, überwiegen die tatsächlich.
Tobi, mal wieder ins Herz getroffen !
Ist genau meine Sichtweise, auch wenn der Hang zur Unprofessionalität manchmal sehr viel Großmut verlangt, um selbst freundlich zu bleiben.
Aber das wiederum zeichnet uns als Frohnaturen aus !!!
Herzliche Grüße
Bernd
Hallo Tobi,
Mein Herz geht auf, wenn ich deinen Beitrag lese. Danke! Ja, wir leben in einem tollen Land in dem ich jeden Tag viele wunderbare Begegnungen erlebe.
Viele Grüße und weiter viel Erfolg
Hallo Tobias,
Du sprichst mir aus der Seele, denn ich bin auch überzeugt davon, dass wir in einem, wenn auch in manchen Dingen zu toleranten, aber sehr freundlichen und hilfsbereiten Land leben. Würden wir unser Nest nur nicht so häufig selber beschmutzen. Ich lebe jedenfalls sehr gerne in Deutschland und bin vor allem auch stolz auf unser Land und darauf, Deutscher zu sein. Ich denke ein bisschen Patriotismus steht uns auch ganz gut, oder?
Schöne Anekdote. Wenn man nach der Devise lebt „behandle andere Menschen so, wie du behandelt werden möchtest“, geht das zu 99 % auch gut. Die läppischen 1 % sollten uns nicht ärgern, was leider aber bei uns Menschen nicht so einfach ist. Wir ärgern uns viel mehr über diese 1 % als uns über die 99 % zu freuen. Wenn man selbst freundlich auf andere Menschen zugeht, erreicht man viel mehr.
Hey Bro, was für ein geiler Beitrag! Hab fast etwas Pipi in die Augen gekriegt! Weiter so!!!
Das ist ein absolut supergenialer Beitrag von Dir!
Genau SO sieht’s nämlich aus – und nicht anders.
Wer nur noch negativ durch’s Leben geht, sieht auch
nur noch Negatives.
Ich komme mit dem „freundlichen“ auftreten anderen
gegenüber fast zu 100% zu dem Ergebnis, das ich erwarte.
(ok – ausgenommen der Deutschen Autobahn –
die ich ca. 12-15 mal pro Jahr von Passau bis Gießen
queren muss – da fühle ich mich auf den 400km
Autobahn in Österreich besser aufgehoben weil
man in D mit „Freundlichkeit“ nicht wirklich weiterkommt….)
*Sarkasmus ENDE* ;-)
Ein wirklich toller Beitrag! Toll geschrieben!
Danke dafür. Er hat mir den Tag erhellt :-)