Sie haben das Recht zu schweigen

Das Smartphone kann heute jeder mit ein paar Fingergesten steuern, oder per Sprachsteuerung. Künstliche Intelligenz … nein, eher künstliche Assistenten machen das möglich. Jeder große Hersteller bringt seinen eigene Sprachsteuerung mit. Sie heißen Siri bei Apple, Alexa bei Amazon und Huawei Handys, Cortana bei Microsoft oder schlicht Google Assistant bei Google. Sie verstehen Befehle wie „Spiele Musik von Coldplay“ oder „Wie ist das Wetter in Greifswald?„. Aber nicht nur Smartphones können per Sprachbefehl gesteuert werden, auch die Xbox macht das schon länger – und neuerdings auch Amazons Design-Lautsprecher ECHO, der dem Ganzen die Krone aufsetzt, denn er lässt sich ausschließlich per Sprache steuern.

Funktioniert … fast immer

Dass das nicht immer ganz fehlerfrei läuft, zeigt der Fall der kleinen Brooke aus Texas. Sie unterhielt sich mit dem ECHO-Lautsprecher ihrer Mutter über Kekse und Puppenhäuser … die dann auch promp von Amazon geliefert und mit 170$ in Rechnung gestellt wurden, weil das System das als Bestellung interpretierte. Doch damit nicht genug. Jim Patton, Nachrichtensprecher vom Fernsehsender CW6 in San Diego, berichtete über den Fall und wiederholte dabei auch die Worte, die Brooke in der Reportage gesagt hat. Fatalerweise löste er damit bei allen Zuschauern, die einen ECHO-Lautsprecher zu Hause haben, ebenfalls eine Bestellung für ein Puppenhaus aus.

Prinzipiell funktionieren diese Assistenten alle gleich. Über das eingebaute Mikrofon wird permanent gelauscht, die Umgebung also abgehört. Sagt jemand das einprogrammierte Codewort wie „Hey Siri“ oder „OK, Google“ springt die Logik an. Der nun folgende Satz wird aufgezeichnet und über das Internet an ein Rechenzentrum übertragen. Dort versucht ein Algorithmus, den Sinn der Anfrage herauszufinden. Bei Fragen wird dann eine Suchmaschinen-Antwort übermittelt und oder eben ein entsprechender Befehl zum Abspielen der Songs von Coldplay. Eigentlich könnten die übertragenen Befehle spätestens jetzt gelöscht werden. Vielleicht tun das auch manche. Samsung tut das nicht, wie mir jemand erzählte, dessen Freundin in einem Studentenjob die aufgezeichneten Sprachbefehle fremder Menschen anhörte und auswertete (Mann/Frau, Akzent, geschätztes Alter und was die Person sagte). Auch Amazon hebt alle Alexa-Kommandos auf, macht das aber nicht versteckt. Sie weisen darauf hin und in einer App kann jeder sogar seine früheren Befehle einsehen.

Verrat mich nicht, Alexa!

Alexa Sprachsteuerung Datenschutz

Das hat mittlerweile auch die Polizei gemerkt. In den USA wurden nach einem Mordfall die in der Cloud gespeicherten Aufnahmen des  Lautsprechers ECHO angefordert, der im Haus des Opfers stand. Die Ermittler erhoffen sich, im Hintergrund eins Sprachbefehls vielleicht eine andere Stimme – die des Mörders – zu hören. Eigentlich eine clevere Idee der Beamten.

Es zeigt aber auch, wie sehr jetzt schon das Internet-der-Dinge Begehrlichkeiten nach gespeicherten Daten weckt. Besonders, weil auch immer mehr Geräte immer mehr Informationen abspeichern – und nicht nur Sprachbefehle.

Pech gehabt!

Irgendwann kannst du dann nicht mal mehr deine Alte umbringen. Die Polizei weiß  nämlich dann ganz genau, wann du am Tag des Verschwindens mit Deinem Schlüssel die Haustüre aufgesperrt hast – weil die Haustüre das speichert.  Die Polizei weiß dann auch ganz genau, dass du danach im Gartenhaus warst, wo der Spaten steht – weil der Lichtschalter das speichert. Die Polizei weiß letztlich auch ganz genau, dass du eine Stunde später die Waschmaschine mit stark verschmutzter Wäsche angeschmissen hast – weil die Waschmaschine das speichert.

Und selbst wenn du dich dann noch rausreden kannst … spätestens, wenn sie dir nachweisen, dass du anschließend Pharell Williams mit „(Because I’m) Happy“ auf deinem neuen ECHO-Lautsprecher abgespielt hast, gehst du endgültig in den Bau.

3 Kommentare zu “Sie haben das Recht zu schweigen

  1. Vielleicht bin ich zu paranoid oder zu weltfremd, gleichzeitig sehe ich da keine sinnvolle Anwendungen der Spracherkennung für mich. Zum einen wird man zu Spontankäufen verführt, die man eigentlich nicht braucht, zum anderen erfolgt die Auswertung der gesprochenen Worte aus technischen Gründen auf fremden Rechnern. Wer garantiert mir, dass sich nicht ein Angreifer auf meinen Fernseher oder eine Sprachbox illegal einloggt und mich dann in meinem privaten Bereich ausspioniert.

  2. Habe zwei spooky Situationen mit der Fire-TV von Amazon gehabt. Seitdem ziehe ich den Netzstecker, weil es mir zu unheimlich ist. Fall 1: Musik-Streaming aus der Amazon Musikbiliothek – läuft gut. Weiße Kontrollbirne an – okay, Fire-TV ist ja auch an. Dann möchte ich es ausstellen, was ja mit dem Ruhemodus funktioniert. Ja, Kontroll-Lampe geht aus – ABER die Musik dudelt unendlich weiter. Also ist die Kontroll-Lampe nur eine Benutzer-Illusion. Eine echte Information, ob das Ding wirklich aus ist, liefert sie nicht.
    Fall 2: Nagelneues Tablet wird ins eigene WLAN eingewählt. TV-Gerät und Fire-TV sind aus und wir sind nicht in der Nähe der Fernbedienungen. Am Tablet haben wir in Youtube ein Video gestartet und da war so ein komisches Zeichen. Und nach dem Drauftippen ging’s ab: Das TV-Gerät schaltet sich wie von Zauberhand ein, die Fire-TV startet eigenständig, schaltet Youtube an und spielt doch glatt das auf dem Tablet gestartete Video!!!! Nur abschalten musste noch über die Fernbedienungen erfolgen. WAS SOLL DAS? Das nenne ich mal Kontrollverlust.

    • Ja, das mit der Kontrolllampe ist nur Illusion. Allerdings werden i.d.R. dann nur die „notwendigen“ Verbraucher angelassen. Die, um das Gerät aus dem Stand-by wieder hochzufahren. Dazu kann ein Mikrofon gehören, wenn es um Sprachsteuerung wie „Gerät an!“ geht.
      Das in Fall 2 ist allerdings gewollte „Nutzerfreundlichkeit“. Die Geräte können sich über das HDMI-Kabel gegenseitig schalten. Das gab es übrigens schon zu VHS-Videorekorderzeiten (damals über SCART), dass der Fernseher anging, wenn man den Videorekorder angeschaltet hat. Damals konnte das aber nicht jedes Gerät, heute fast schon zu viele ….

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