Das Schwedische Möbelhaus hat angefangen. Mittlerweile sind sie aber auch bei Rewe, Globus, Real und Edeka zu finden. Nein, ich meine keine Fleischbällchen. Auch von Hot Dogs ist nicht die Rede. Es geht überhaupt nicht um Dinge, die man kaufen kann. Ich spreche von den SB-Kassen. Da, wo man selbst Hand an den Scanner legen kann, um seinen Joghurt, die Butter und die 3 Liter Frischmilch mit dem roten Lichtstrahl zu erfassen – um sich dann selbst abzukassieren.
Wow! Da darf ich – endlich – auch mal selbst ausprobieren, wie so eine Kasse funktioniert. Unterstützt wird das Selber-kassieren-Syndrom dadurch, dass (künstlich?) die Anzahl der menschlichen Kassierer so begrenzt ist, dass man an der Do-it-yourself-Kasse schneller drankommt, weil die Schlange dort schlichtweg kürzer ist. Dann kommt der Augenblick, den jeder Softwareentwickler vom Systemtest kennt. Der User starrt den Bildschirm an und weiß nicht, was er drücken soll. Als Programmierer finde ich das total spannend. Das Programm muss nämlich ungeschulte „Mitarbeiter“ und Fehleingaben abkönnen, ohne abzustürzen. Zur Sicherheit steht deshalb noch ein Mitarbeiter rum und erklärt. Einer wohlgemerkt. Für vier SB-Kassen. Und das ist auch kein Kassierer, das ist nur ein „Erklär-Bär“. Der hat viel weniger Verantwortung und wahrscheinlich auch viel weniger Gehalt als eine ausgebildete Kassenkraft.
Mit 16 Jahren habe ich mal ein Jahr bei Edeka gejobbt. An der Kasse. So habe ich mein erstes Geld verdient. Geld, mit dem ich meinen Computer aufgerüstet habe. Geld, mit dem ich meinen ersten Akkustikkoppler gekauft habe, um mich (für heutige Verhältnisse unendlich langsam mit 300 Baud) in den Vorläufer des Internets einzuwählen und Online zu gehen.
Mit SB-Kassen, also ohne diesen Kassierer-Job, hätte ich mein Know-How niemals aufbauen können – und wäre wohl nie das geworden, was ich heute bin.
Und auch wenn ich damals an der Kasse ähnlich langsam war, wie der Akkustikkoppler bei der Einwahl in eine BBS. Ich hatte auch Stammkunden, die sich gerne bei mir anstellten. Das lag wohl daran, dass es damals wie heute Obst und Gemüsesorten gibt, die ich nicht kenne – und daher immer den billigen Preis für Äpfel getippt habe. Ansonsten halte ich SB-Kassen schlichtweg für Vernichter von Arbeitsplätzen – und meide sie als Kunde, wo immer es geht.
Zusatz:
Der Rechtsanwalt Udo Vetter erklärt in einem Artikel wunderbar, dass die SB-Kassen zusätzlich ein nicht zu unterschätzendes juristisches Risiko bergen. Bei einer Kassiererin sind wir Kunden nämlich nur dafür verantwortlich, „dass unser Einkaufswagen leer ist und sich nicht noch „zufällig“ Waren in der Jackentasche oder im Rucksack befinden“. An der SB-Kasse übernehmen wir die Verantwortung für den gesamten Kassier- und Bezahlvorgang. Und das wird auch noch von diversen Kamers überwacht – in HD, zur eventuellen Beweissicherung.
Das ist ein bisschen so, wie beim Online-Banking. Seit die TAN auf den smsTAN und chipTAN Geräten erst angezeigt wird, nachdem wir noch einmal Betrag und Empfänger bestätigt haben, liegt ein Großteil der Verantwortung – und damit auch des Risikos – bei uns. Schauen Sie mal in Ihre AGB.
Bildnachweis: (c) 2016 Tobias Schrödel – dataphon s21d-2 von 1987
Der volkswirtschaftliche Schaden der damit angerichtet wird ist vielen wohl nicht bewusst.
Ich bin schon gespannt welche Modelle die Sozialstaaten aufrufen werden wenn die Automatisierung der Berufe noch weiter voranschreitet.