Sauber Steuern sparen

Im Schnitt verbringen wir 1,5 Jahre unseres Lebens unter der Dusche. Ein bisschen Wellness, ein bisschen Nachdenken – und manchmal einfach nur, um wach zu werden. Besonders fleißig sind da übrigens die Brasilianer: Ganze 11 Mal pro Woche steigen sie unters Wasser. Die moderne Dusche – wer hätte es gedacht – wurde übrigens vom französischen Arzt François Merry Delabost eingeführt, um die Hygiene in Gefängnissen zu verbessern. Später fanden seine Duschvorrichtungen auch den Weg in Kasernen und Wohnungen.
Und während wir duschen, läuft ein kleines Rädchen im Verborgenen: der Wasserzähler. In meinem Fall ein analoges Exemplar, versteckt hinter dem Badezimmerspiegel. Einmal im Jahr kommt jemand von der Hausverwaltung vorbei, liest den Stand ab, fertig. So war das bisher.
Aber damit ist bald Schluss. Die neue Heizkostenverordnung verlangt: Bis Ende 2026 müssen in allen Bestandsbauten funkfähige Verbrauchserfassungsgeräte verbaut werden. Keine Revisionsklappen mehr, keine Spiegel abhängen. Stattdessen: permanente Datenerfassung. Klingt bequem? Vielleicht. Ist es aber auch sicher?
Ich bin gespannt, was das kostet – und ob dabei nicht nur der Wasserverbrauch, sondern auch gleich die Uhrzeit erfasst wird. Denn sobald aus Verbrauchsdaten Zeitreihen werden, beginnt ein anderes Spiel. Ein Spiel mit der Privatsphäre.
Ein Hersteller solcher Zähler erzählte mir einmal von einer Schweizer Großstadt, die plante, in jedem Haushalt minütlich den Wasserverbrauch zu erfassen. Ja, Sie haben richtig gelesen: minütlich. Warum? Die Antwort war ebenso überraschend wie verstörend: Es ging um Steuerhinterziehung durch falsche Wohnsitzangabe.
In der Schweiz sind die Steuern je nach Kanton unterschiedlich hoch. Also melden sich einige Bürger einfach in einem »günstigen« Kanton an – wohnen aber in Wirklichkeit in »teuren« Kantonen. Eine smarte Verbrauchsanalyse könnte das auffliegen lassen. Denn wer regelmäßig zur gleichen Uhrzeit duscht, wer den Wasserhahn nicht nur werktags zwischen 18 und 19 Uhr aufdreht, sondern auch am Wochenende, der lebt sehr wahrscheinlich wirklich dort. Zudem: Selbst wenn der Jahresverbrauch gleich bleibt, erkennt ein cleverer Algorithmus, ob eine Person zehn Minuten duscht oder zwei Personen je fünf Minuten – mit kleiner Pause dazwischen.
Verstehen Sie jetzt, warum Datenschutz kein technisches Detail ist, sondern eine Frage der persönlichen Freiheit? Und warum Konzerne und Behörden so scharf auf Ihre Daten sind? Jeder Tropfen Wasser, den Sie verbrauchen, kann plötzlich mehr verraten, als Ihnen lieb ist. Hier ist das Ihr wahrer Wohnort, obwohl in den Ursprungsdaten nur die Wassermenge und ein Zeitstempel zu finden sind. Und wo sich Informationen ableiten lassen, lässt sich damit meistens auch Geld verdienen – oder eine Steuer eintreiben.
Aber lassen Sie uns mit einem Lächeln aus der Dusche steigen: Der Hersteller des Computerspiels »Battlefield 6« misst zwar keinen Wasserverbrauch, dafür aber die Spieldauer seiner Kunden. Wer es mit dem Zocken übertreibt, bekommt irgendwann den Hinweis: »Nimm eine Dusche! Du hast jetzt 16 Stunden durchgespielt.« Und wenn wir das jetzt mit einer anderen Statistik verknüpfen, dann würde ich wetten, dass die härtesten Zocker der Welt aus Brasilien kommen.

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