Dieses Grinsen! Der Mann präsentiert mir seine schlecht gemachten und wohl trotzdem sauteuren Dentalarbeiten mit der Gewissheit eines Siegers. „Verkauft“, denkt er, „diese Reise habe ich an den Mann gebracht.“ Ich unterschreibe den Vertrag in der Hoffnung, dass er sein Gebiss schließt während ich mich frage, bei welchem Schreiner sein Zahnarzt wohl die Ausbildung gemacht hat. Der Grinser übergibt mir die Reiseunterlagen, und ich muss stutzen: ein Zugticket von München nach Venedig, ein Voucher für den Campingplatz in Jesolo sowie eine Einverständniserklärung, dass die Behörden in den USA eine Kopie meines Reisepasses, meine Mails, alle meine Kontobewegungen und meine Fingerabdrücke bekommen.
Als ich ihn aufklären möchte, dass ich nicht in die USA reise und Jesolo in Italien liegt, was sich wiederum in Europa befindet und dass das mit dem Formular für die USA dann wohl nur ein Irrtum sein kann, werde ich eines Besseren belehrt. Das Reisebüro, in dem ich gerade stehe, gehört einem amerikanischen Unternehmen und ein US-Gericht hat sie zur Herausgabe eben jener Daten verpflichtet.
Das obige Szenario trifft zum Glück nicht auf Reisebüros zu (zumindest noch nicht). Allerdings hat ein Bezirksgericht in New York kürzlich Microsoft dazu verdonnert, amerikanischen Ermittlern Zugriff auf Daten zu gewähren, die auf Servern in Europa gespeichert werden. Dass dem europäische Datenschutzgesetze entgegenstehen, muss sicherlich nicht extra erwähnt werden. Microsoft wehrt sich dagegen, denn sie fürchten, dass die Kunden nun noch weniger Vertrauen in den Datenschutz haben und europäische Anbieter von Rechenzentrumsleistungen und Cloud-Diensten so einen Wettbewerbsvorteil bekommen.
Mit ihrer Beschwerde bleiben sie ausnahmsweise mal nicht alleine. Apple, Cisco, Verizon, AT&T und die bekannte Bürgerrechtsorganisation EFF (Electronic Frontier Foundation) schließen sich dem Widerstand an. Auch wenn es den Unternehmen wohl nur um finanzielle Interessen geht: es handelt sich um die mit Abstand größte Gemeinschaftsaktion amerikanischer Konzerne gegen die Datensammelwut der US-Regierung. Normalerweise bekämpfen die sich vor Gericht wegen jedem Patent-Pups. Und jetzt … gemeinsam gegen die NSA! Ich kann es einfach nicht glauben und mir klappt die Kinnlade runter. Der Typ aus dem Reisebüro schaut mich an, zieht eine kleine Zange aus der Hosentasche und sagt: „Sie haben da was an der Vier unten links. Wenn Sie möchten, kann ich den gleich hier behandeln.“
Ergänzung 01.08.2014: Die Beschwerde von Microsoft wurde abgelehnt.