Können schon, wollen nur nicht

Als (Halb-)Schwede fahre ich standesgemäß einen Volvo. Meinen motorisierten Elch habe ich vor vier Jahren gebraucht gekauft, heute ist er mittlerweile neun Jahre alt. Das Auto, hat aber so ziemlich alle Annehmlichkeiten. Mit einer Ausnahme: Es hatte keine Standheizung. Wenn ich aber im Winter von der Skipiste auf dem Parkplatz durch den Schnee zum Auto stapfe, gibt es nichts schöneres, als ein warmes Fahrzeug, das auf einen wartet. Also habe ich nachgefragt. Das Nachrüsten einer Standheizung hätte mein Volvo-Händler laut Listenpreis mit etwa 800€ berechnet. Zu viel, wie ich fand.

Standheizung als Softwareupdate

Eines Tages jedoch erzählte mir jemand, dass mein Auto (ein Dieselfahrzeug) schon immer eine Standheizung hat. Diese ist nur nicht „freigeschaltet“, es fehlt der Menüeintrag im Bordcomputer. Tatsächlich nutzt das Fahrzeug sie aber, um bei Minustemperaturen den Diesel vorzuwärmen, damit der Motor startet. Volvo Deutschland berechnet(e) damals also über 800€ für ein Softwareupdate. Es kam aber noch besser. Mein „Informant“ erklärte mir, dass die Freischaltung der Standheizung in der holländischen Preisliste nicht mit 800€, sondern lediglich mit ca. 200€ gelistet ist, in Österreich um die 250€. Ich hab’s probiert.

standheizung nach softwareupdateEin Ausflug nach Salzburg und ein Update später hatte ich rund 550€ gespart und plötzlich eine Standheizung. Eine Standheizung, die ich hardwaremäßig  schon die ganze Zeit funktionsfähig hatte, nur nicht nutzen durfte. Vom Preisunterschied gegenüber anderen Ländern ganz zu schweigen, empfinde ich das als ziemliche Frechheit!

Kurze Videos sparen Geld

Doch nicht immer werden Funktionen versteckt, um Geld zu scheffeln und Verbraucher auszunehmen. Wie ich bei heise.de lernte, haben Digitalkameras mit Videofunktion eine absichtliche Begrenzung der Filmdauer auf 30 Minuten. Hintergrund ist eine Zollrichtlinie. Kann eine digitale Fotokamera auch Filme aufzeichnen, die länger als 30 Minuten sind, zählt sie nicht mehr als Foto- sondern als Videokamera. Dann fällt schlagartig ein Zollaufschlag von fast 5% auf den Verkaufspreis an. Kurzum: alle Digital-Kameras könnten locker längere Videos aufzeichnen, wären dann jedoch gleich deutlich teurer und werden deshalb softwaremäßig „ausgebremst“.

Für Smartphones – mit denen man auch filmen kann – gilt das hingegen nicht! Da sie mit Akku laufen, man damit telefonieren und SMS schicken kann, gelten sie als Telefon. Und darauf fällt keine Extrasteuer an, auch wenn man damit über 30-minütige Videofilme drehen kann. Und es spielt übrigens auch keine Rolle, ob man in Deutschland, Holland oder Österreich filmt.

Nachtrag: Das kommt davon, wenn man Blogartikel schon ein paar Tage im Voraus schreibt. Seit dem 01. Juli 2016 können hunderte hochtechnischer Produkte und Produktgruppen zollfrei eingeführt werden. (Artikel hier). Auf der Liste ab sofort zollfreier Artikel der World Trade Organization WTO finden sich auf Seite 7 auch „Television cameras, digital cameras and video camera recorders„. Nun ja, sicherlich hat der ein oder andere ja noch eine Kamera mit 30-Minuten-Begrenzung zu Hause … und weiß jetzt wenigstens, warum das mal so sein musste.


Foto: Tobias Schrödel

3 Kommentare zu “Können schon, wollen nur nicht

  1. Man kann es auch anders sehen: Was bist Du bereit für eine Standheizung auszugeben? Du hast halt keine Kontrolle mehr über die Produkte, bei denen Software und Hardware zusammenarbeiten.
    Solange die Komponenten billiger sind als der Aufwand für die Auslieferung von Spezialkonfigurationen ist es für alle effizienter, nur eine uniforme Hardware zu fertigen und per Software Funktionen freizuschalten als in einer Werkstatt etwas umbauen zu lassen.
    Für Volvo eine einfache Rechnung.
    Bei reinen Softwareprodukten ist es ja auch so, das per se schon die Ultimate-Version für hohe Kosten fertigprogrammiert wurde, die durch Basic-Lizenzen nicht erwirtschaftet werden können. Nur ein teuree Lizenzschlüssel („Softwareupdate“) schaltet die Ultimate-Funktionen frei.

    • Aber darum geht es mir ja. Bei Software erwarte ich das. Das kennen wir alle vom Freischalten der Pro-Version durch In-App-Käufe (oder auch: „Werbung aus-Kauf“)
      Beim „Nachrüsten einer Standheizung“ ging ich zumindest davon aus, dass die Hardware modifiziert wird und dies (bis auf den Stundenlohn in verschiedenen Ländern) nur moderate Preisunterschiede in verschiedenen Ländern hat. Da hab ich aber falsch gedacht und frage mich, wie viele Volvo-Fahrer auch dachten, dass Nachrüsten was anderes als Freischalten ist.

  2. Pingback: Nachgebucht - Ich glaube, es hackt!

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