Letzten Montag war ich in der Nähe von Rostock als Gast-Redner auf einer Tagung von „Facility-Managern“. Das sind diejenigen, die für Konzerne die Bürogebäude kaufen, mieten, verwalten und auch einrichten.
Beim Abendessen erfuhr ich, was die Facility Manager derzeit schwer beschäftigt: Es ist der immer noch andauernde Trend zum Großraumbüro.
Bisher dachte ich immer, Großraumbüros helfen Firmen Geld zu sparen, weil kleine Zimmer teurer sind: Mehr Lichtschalter, mehr Lampen, mehr Türen, mehr Technik heißt: mehr Kosten. Nun weiß ich: das stimmt gar nicht.
Großraumbüros sind eine riesige Herausforderung für die Planer – und am Ende oft teurer. Unter anderem wegen der aufwändigen Klimatechnik, die große Flächen gleichmäßig heizen oder kühlen muss – ohne dass der, der zufällig am Luftauslass sitzt erfriert oder verdampft wird. In die Bodentanks muss viel mehr Technik gequetscht werden, weil fast niemand mehr an einer Wand sitzt, wo früher Steckdosen und Netzwerkanschluss angebracht werden konnten. Im Boden dann eine fehlerhafte Leitung zu finden ist enorm aufwändig, auch weil es keinen Platz mehr gibt, um den Schreibtisch mal eben kurz zur Seite zu schieben.
Einig waren sich die Fachleute auch, dass die Stimmung und Produktivität der Mitarbeiter in den Keller rutscht, wenn von Individualität auf Massentierhaltung umgestellt wird. Der permanente Lärmpegel durch (Telefon-)Gespräche, Husten und Räuspern der Kollegen, durch klirrende Kaffeetassen und klingelnde Telefone macht einen wahnsinnig. Ebenso, dass man sich andauernd durch Kollegen beobachtet fühlt, obwohl die gar nicht anders können, als einem in den Monitor zu glotzen – oder zuzuhören, wenn die Kollegin einen Termin beim Frauenarzt ausmacht.
All dies – und das ist sogar durch eine Universitätsstudie belegt – setzt deutlich mehr Stresshormone frei, als normal. Die Studie ist 16 Jahre alt, man hätte es also schon längst wissen können: Die Arbeitsqualität sinkt im Großraumbüro, die Krankheitsrate steigt – begünstigt durch Streß und die Reisefreiheit von Viren, weil alle die gleichen Türklinken drücken. Spätestens ab jetzt rechnet sich die Umstellung von kleinen auf große Büroräume nicht mehr.
Liebe Manager und Unternehmensberater. Und ich meine vor allen Dingen Euch, die ihr den Mitarbeitern Großraumbüros als fortschrittlich und innovativ verkauft und dabei Wasser predigt, aber Wein trinkt, weil ihr selbst niemals Eure eigenen Bürowände aufgeben würdet: Entschuldigt bitte die drastische Sprache, aber eines habe ich von den Facility Managern gelernt. Konzentration und Produktivität setzt Ruhe und eine gewisse Privatsphäre voraus. Daher kommen einem die besten Ideen auch beim Scheißen auf dem Klo. Großraumbüros sind hingegen bestenfalls eine Scheißidee. Das klingt zwar ähnlich, ist aber nicht das selbe!
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Zusätzliche (willkürlich gewählte) Links zu Großraumbüros:
http://www.ergo-online.de/html/gesundheitsvorsorge/psychische_belastungen_stress/laermstress.htm
http://arbeitskreis-krankenversicherungen.de/arbeit-im-grossraumbuero-mit-gesundheitsfolgen-11803/
http://www.wiwo.de/erfolg/beruf/arbeiten-im-grossraum-die-geraeuschkulisse-macht-krank/8069124.html
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/grossraumbuero-ist-schwachsinn-sagt-karrierecoach-martin-wehrle-a-1073850.html
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/laerm-am-arbeitsplatz-laute-grossraumbueros-verursachen-stress-a-966676.html
Sehr richtig! Habe selbst lange genug in einem Großraumbüro gearbeitet. Man wird von anderen gestört und man stört andere. Dann gibt es Menschen, die keinerlei Rücksicht auf andere nehmen, krank zur Arbeit kommen, weil denen ja subtil ein schlechtes Gewissen eingeredet wird und es natürlich alle sehen, wenn jemand nicht an seinem Platz ist. Urlaub wird akzeptiert, Krankheit nicht! Man ist anderen Mitkonkurrenten hilflos ausgeliefert – die Konkurrenz, besser gesagt, der Leistungsdruck wird noch mehr gefördert von den „Teamleitern“, um ja noch mehr aus dem einzelnen Mitarbeiter (nicht umsonst Human Resource genannt) auszupressen, bis er nicht mehr kann. Außerdem kann man den Hühnerstall auch besser beobachten. Teilweise grenzt das schon an Eingriffe in die Privat- und manchmal auch Intimsphähre. Zwei Ärzte haben mich aus dem Job rausgezogen unter Androhung von harten Maßnahmen. Weise Voraussicht meiner Ärzte. Denn ich habe den Magen kaputt, die Schilddrüse (kausal bedingt durch eine Kehlkopfentzündung) und einige andere Erkrankungen, die mir diese Arbeit eingebracht hat. Die Abfindung, die das Unternehmen 2010 allen Angestellten über 40 angeboten hatte, war für mich reines Schmerzensgeld.