Das Internet von Oma und Opa

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, in diesen Zeiten. Überall hört und liest man nur Corona, Corona, Corona. Ich kann es einfach nicht mehr hören. Und während die einen das Land am Laufen halten, dutzende Überstunden machen und (zurecht) als Held:innen gefeiert werden, jonglieren andere im Home-Office zwischen Büro und Kleinkind. Wieder Andere haben Existenzangst und wissen nicht einmal, wann und wie es weitergehen soll.

Positiv an dem Scheiß-Virus ist eigentlich nur, dass man aktuell vieles nicht mehr machen darf … und deshalb zu Hause Dinge tut, die man lange vor sich hergeschoben hat. Ich meine so Dinge wie Keller ausmisten, ein Backup von Computer und Handy machen, Fotos in Alben kleben oder alte VHS Videokassetten zu digitalisieren.

An Letzteres habe ich mich herangewagt. Da lagen nämlich noch ein paar alte VHS-Kassetten mit Urlaubsvideos im Schrank. Verstaubt waren sie und sie wurden auch bestimmt fünfzehn bis zwanzig Jahre nicht mehr angesehen. Diese Filme wollte ich vor dem Verfall retten, den die in ihnen vorkommenden Personen mittlerweile bereits durchgemacht haben. Bevor das Band also endgültig entmagnetisiert ist, wollte ich die Erinnerungsstücke digitalisieren. Daher habe ich mir bei eBay-Kleinanzeigen einen alten VHS-Player für 20€ geschossen und ihn (kontaktlos) abgeholt. Der Plan ist jetzt, diesen an eine noch vorhandene, analoge USB-TV-Karte mit Aufnahmefunktion anzuschließen. Aktuell ist es nur ein Plan, weil ich den Registrierungsschlüssel der mitgelieferten Software des USB-TV-Sticks (zwölf Jahre alt) nicht mehr finde.

Beim Stöbern im Internet stieß ich dann aber auf eine interessante Sache, die ich so noch nicht wusste. Ehrlich gesagt war das, was ich dort las, für mein Technikerherz ein wenig wie eine Marienerscheinung und Mondlandung zugleich: Der gute alte Teletext wird bei der analogen Aufnahme auf einer VHS Kassette ebenfalls mitgesichert! WTF?!

Ja! Und das geht so: ein analoges Fernsehbild hat 625 Bildzeilen, von denen jedoch nur 576 für den Bildinhalt verwendet werden. Der Rest ist die so genannte Austastlücke, in der sich das Fernsehgerät auf den Empfang des folgenden Bildes „vorbereitet“. In den früheren 1970er Jahren kamen Techniker der BBC auf die Idee, dort Textseiten mit 25 Zeilen und 40 Zeichen pro Zeile unterzubringen.

Dieser „unsichtbare“ Bereich des Bildes wird natürlich mit übertragen und landet daher bei einer Aufnahme logischerweise ebenfalls auf dem VHS Band. Und zwar genau so, wie Teletext funktioniert: eine Seite nach der anderen. Von Seite 100 bis 899. Nacheinander. Deswegen muss man bei Teletext nach dem Aufruf einer Seite auch warten, bis sie „vorbeikommt“ und in der Austastlücke übertragen wird.

Leider kann man den gespeicheten Teletext auf einer VHS-Aufnahme nicht einfach so abrufen. Zum Glück haben sich aber die Technik-Enthusiasten Alistair Buxton und Jason Robertson damit beschäftigt. Sie haben aufbauend aufeinander eine Software entwickelt, die Bild für Bild analysiert und aus ca. 15 Minuten Aufnahme den Teletext eines Tages extrahieren kann. Wer also eine Video-Kassette der ZDF Hitparade mit Dieter Thomas Heck von 1982 im Schrank stehen hat, kann nicht nur Markus mit „Ich will Spaß“ hören, sondern auch die Teletext-Nachrichten von damals lesen. Wie cool. Eine VHS-Videokassette ist eigentlich ein Backup von Oma und Opas Internet.

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