Am 1. Dezember 1954, also vor fast exakt 70 Jahren, war in den USA Verkaufsstart eines Fernsehgerätes, das die Wohnzimmer verändern sollte. Der RCA 21-CT-55 war das erste massentaugliche TV-Gerät für Farbfernsehen. Mit einer Bildschirmdiagonalen von 53 Zentimetern – zum Vergleich: ein Schallplattencover hat eine Diagonale von 45 Zentimetern. Und er war für unter 1.000 Dollar zu haben – zum Vergleich: das entspricht einer heutigen Kaufkraft von fast 10.000 Euro.
Etwas absurd war die Investition in ein Farbfernsehgerät damals auch, schließlich gab es kaum Sendungen, die überhaupt in Farbe ausgestrahlt wurden. Da brachte es auch nichts, zwischen den Sendern hin und her zu zappen, obwohl das wenigstens den Kreislauf ankurbelte, denn der RCA 21-CT-55 hatte natürlich noch keine Fernbedienung. Wer von einem Sender zu einem anderen umschalten wollte, musste aufstehen. Oder – vermutlich war das damals üblicher – seine Kinder (oder die Gattin) bitten (auffordern …) das zu tun.
Die Erfindung des Farbfernsehens zeigt eine technische Problematik auf, die uns heute noch umtreibt. Die Technologie war neu und es gab verschiedene Lösungsansätze. Folglich versuchte jeder Erfinder, seine Methodik zum Standard für ein ganzes Land, oder besser noch: die ganze Welt, zu erklären.
CBS hatte ein sich drehendes Rad mit Rot-Grün-Blau-Folien vor die Bildschirme platziert, was dafür sorgte, dass das Gehirn ein buntes Bild sah. Die Mechanik war groß, laut und fehleranfällig. Konkurrent RCA brachte mit der NTSC-Technik eine völlig andere Übertragungsmethode ins Spiel, die das Fernsehen bunt machte. Beide Firmen hofften darauf, dass die Regierungsbehörde FCC ihre Technologie zum Standard erklären würde. NTSC machte schließlich das Rennen in den USA.
In Deutschland ersann sich zur fast gleichen Zeit Walter Bruch von telefunken das PAL-System und meldete es 1962 zum Patent an. Es wurde zum Standard in allen europäischen Ländern. In allen? Nein, ein kleines Dorf … Verzeihung, ein großes Land im Westen Europas kochte seinen eigenen Zaubertrank und machte das von Henri de France erfundene SECAM-System zum Übertragungsstandard bunter Fernsehbilder für Frankreich, Osteuropa und Teile Afrikas.
Ein ähnliches Kuddelmuddel hatten wir bei den Videorekordern in den 1980er Jahren. Hier konkurrierten mit VHS und beta zwei technisch völlig unterschiedliche und inkompatible Systeme um Kunden, was Fortschritt und Weiterentwicklungen hemmte. Wie wichtig wäre es gewesen, einen gemeinsamen Standard zu entwickeln.
Doch wer meint, dass Standardisierungsinstitute helfen, dass die beste Technologie genutzt wird, der täuscht sich. Weit mehr als 250 unterschiedliche Standardisierungsinstitute gibt es weltweit. Ein Widerspruch in sich.
Ganz anders im Internet. Der als Erfinder des WWW bekannte Tim Berners-Lee gründete im Oktober 1994 das W3C, ein weltweit anerkanntes Gremium für die Standardisierung der Techniken im World Wide Web. Hier wurde unter anderem HTML als globalgalaktisch einheitliches Format für Webseiten festgelegt. Das hat dafür gesorgt, dass jeder auf der Welt eine Homepage nach seinen Wünschen gestalten und sich so im Netz frei entfalten kann. Ein Standard, der für Vielfalt gesorgt hat. Diesmal kein Widerspruch.
Hallo Tobias, das war wieder mal sehr interessant, ich war auch ein SECAM Schauer. Und zu den Standards: Wenigstens ein Ladekabel für alle wird oder soll Standard werden! Das ist doch mal was anderes als sich über krumme Gurken den Kopf zu zerbrechen oder?
Ja, USB-C „überall“ ist schon eine Erleichterung :-)
Hallo. Tobi,
wie schön wäre es gewesen wenn es bei der Entwicklung der E- Mobilität zuerst eine Einigung über einen Standard für Batterien und Ladestecker gegeben hätte.
So könnte man die Batterien an Servicestationen tauschen wie lehre Sodaflaschen und das E-Auto währe bei defekter Batterie nicht nur noch Schrottwert.
VG
Jürgen
Hallo Jürgen – oh ja, Du hast völlig recht, das war Scheitern mit Ansage. Vielleicht mache ich aus dem Thema auch mal einen Text. Danke für die Idee!
Hallo Jürgen,
wie schön wäre es gewesen wenn es bei der Entwicklung der Verbrenner – Mobilität zuerst eine Einigung über einen Standard für Motoren und Getriebe gegeben hätte.
Und so weiter…
Nicht böse gemeint :)
Den Ladestecker gibt es mit Typ 2 und CCS faktisch. Bei den Akkus stellt sich mittlerweile mehr und mehr heraus, dass diese langlebiger sind als von vielen Propheten beschworen.
VG
Phil
NTSC, wie lustig
Die Übersetzung hieß damals für uns: Never The Same Color.
😂