Damit ich Dich besser vollquatschen kann! Okay, okay, das Märchen geht anders. Bei den Gebrüdern Grimm ist der große Mund zum Fressen da und nicht zum Reden. Der Telefonanbieter O2 hat die Märchenstunde mit der Großmutter nun jedoch neu erfunden. Und zwar mit Künstlicher Intelligenz.
O2 hat mit Hilfe einer KI der Oma eine Stimme gegeben, sie kann jetzt sprechen. Und … na klar … ist ja O2 … auch telefonieren. Und das macht sie auch. Sie spricht aber nicht mit Ihnen, mir oder (virtuellen?) Enkeln. Sie spricht nur mit Verbrechern.
Zum Verständnis: O2 hat eine KI gebaut, mit der man sprechen kann und die dann auch mit einer Oma-Stimme antwortet. Sie heißt Daisy. Und sie hat eine Telefonnummer. Mehrere sogar. Und Daisy hat Zeit. Viel Zeit. Und sie hat etwas zu erzählen. Viel zu erzählen. O2 hat mehrere hundert Telefonnummern von Daisy auf die typischen Listen geschmuggelt, auf denen Scammer (also Internetbetrüger) nach Nummern von potenziellen Opfern suchen (und das sind oft Senioren).
Ruft ein Betrüger bei Daisy an und versucht sie unter irgendeinem Vorwand auf eine gefälschte Webseite zu lotsen, damit sie dort ihre Konto- oder Kreditkartennummer eintippt, macht Daisy das, was Omas besonders gut können: Quatschen. Sie verwickelt den Anrufer in endlose Gespräche. Daisy stellt andauernd Rückfragen und erzählt von ihrer Familie oder dass sie gerne strickt. Ziel ist es, die Gauner möglichst lange aufzuhalten, denn während des Telefonats mit Daisy können sie keine echten Senioren übers Kreuz legen. Daisy kann 24 Stunden am Tag mit dutzenden Scammern parallel telefonieren.
Trainiert wurde Daisy mit Hilfe von Jim Browning aus Nordirland. Er ist in der Szene bekannt als Jäger von Scammern. Weltruhm erlangte er mit einem Video, in dem zu sehen ist, wie er ein betrügerisches Callcenter selbst hackte, deren Überwachungskameras anzapfte und so genau dokumentierte, wie das kriminelle Geschäft funktioniert. Brownings Videos sind absolut sehenswert und eine Empfehlung meinerseits an Sie.
Jim Brownings Videos finden Sie bei YouTube. Tippen Sie doch einfach mal https://www.youtube.com/@JimBrowning in den Browser. Wie bitte? Ja, mit 3xW am Anfang. Bitte was? Nein, dann kommt der Punkt, nicht vor den drei Ws … Nein, YouTube schreibt man nicht mit J, sondern mit Y … Wie man das @-Zeichen tippt? Äh. Moment. Wie sieht Ihre Tastatur aus? WAS? NEIN! Nicht die Farbe … Wie bitte? NEIN! Mich interessiert nicht, was Ihr Enkel für Hobbies hat. NEIN! Tippen Sie jetzt einfach die URL im Browser ein. NEIN! ICH WILL NICHT WISSEN, WELCHER TEE DIE NERVEN BERUHIGT. WAS? ES INTERESSIERT MICH NICHT!!! IHR ENKEL GEHT MIR AM ARSCH VORBEI !!!!!!
Und wenn Sie nicht gestorben sind, dann reden Sie noch heute mit Daisy.
Mal schauen, wie lange die Gauner brauchen, bis sie Daisy (automatisiert) erkennen.
Egal. Die werbewirksame Aktion ist durch. Darum ging es doch. Aufmerksam machen mit einer witzigen, guten Idee. Und ein paar Omas und Opas hat es auch geholfen.