Mann, waren das noch Zeiten. Telegraph Road von den Dire Straits dauert 14 Minuten und 21 Sekunden. Oder Dazed & Confused (Live) von Led Zeppelin. Das prügelt einem fast 27 Minuten Gitarrenriffs und Schlagzeug aufs Trommelfell. Haben Sie noch Don’t let me be misunderstood von Santa Esmeralda im Ohr? Ganze zehn Minuten können Sie da mitgrölen. Ein Hammer. Viele Hits der 70er, 80er und 90er dauern ähnlich lange. Man denke da an frühe Stücke von Genesis, Pink Floyd, Mike Oldfield oder Meat Loaf. Einige Songs belegen sogar eine volle Seite einer LP, was immerhin die Abkürzung für LANGspielplatte ist. Heute sind derart lange Lieder selten und kaum mehr vorstellbar. Zumindest dann nicht, wenn es darum geht, als Musiker Geld zu verdienen.
Der Verkauf von Musikmedien bricht seit Jahren stetig ein. Früher gab es Schallplatten, Kassetten oder CDs. Aber diese Zeiten sind vorbei. Heute wird gestreamt. Die Musik wandert nicht über die Ladentheke, sie erreicht das Ohr über das Internet. Und die finanzielle Beteiligung der Künstler am Streamgeschäft ist schon länger ein Streitpunkt. Die Musiker fordern eine transparente und sinnvolle Teilhabe am Erlös der Abos. Der Grund ist klar. Früher konnte man die verkauften Tonträger einfach zählen. Letztlich war es dann egal, ob der Käufer das Album in den Schrank stellte oder wochenlang, Tag und Nacht, abspielte. Bezahlt ist bezahlt. Beim Streaming ist das anders, gerade dann, wenn die Kunden per Monats-Flatrate soviel – oder so wenig – Musik anhören könne, wie sie möchten.
Musik-Plattformen wie Spotify, Apple Music oder Napster bezahlen pro Abruf eines Songs. Zwischen 0,032 (Spotify) und 6,6 Cent (Amazon Music) werden so ausgeschüttet. Pro Abruf wie gesagt. Und da fängt das Problem doch schon an. Ab wann zählt ein Abruf denn? Wenn ich den Song starte, aber nach 10 Sekunden abbreche? Oder zählt er erst, wenn ich ihn vollständig gehört habe? Was aber, wenn ich vier Minuten zuhöre und dann die letzten 10 Sekunden des FadeOut überspringe? Zählt das dann auch? Oder nicht? Oder halb?
Spotify bewertet einen Stream zum Beispiel dann als „Angehört“, wenn er mindestens 30 Sekunden läuft. Klingt vernünftig. Das bedeutet aber auch, dass ein Künstler für ein vollständig angehörtes 15-minütiges orchestrales Meisterwerk genauso viel Geld erhält, wie für ein 30-sekündiges Intro als separatem Track. Und es gibt dafür genau soviel Geld, wie für ein Stück Musik, das so schlecht ist, dass der Hörer nach 31 Sekunden auf „Nächstes Lied“ klickt. Aber was soll man machen, so oder so wird es Ungerechtigkeiten geben und ein Anbieter muss sich halt auf einen Weg festlegen.
Die Vorgehensweise von Spotify mit den 30 Sekunden hat die Independent-Band Vulfpeck aus Michigan zu einer Idee inspiriert. Ihr 2014 veröffentlichtes Album Sleepify enthält zehn Tracks, die alle 31 bzw 32 Sekunden lang sind. Die Band bat ihre Fans dann, das Album in Dauerschleife zu hören. Alle fünf Minuten registrierte Spotify so zehn angehörte Songs. Vulfpecks verdiente knapp 20.000 Dollar in einem Monat, bevor das Album wegen Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen gelöscht wurde.
Es kommt aber noch besser. Die zehn Songs auf Sleepify heißen „Z“, „Zz“, „Zzz“, „Zzzz“ bis „Zzzzzzzzzz“. Sie waren nicht nur eine halbe Minute kurz, sondern auch komplett ton- und geräuschlos. Auf dem ganzen Album ist nichts zu hören! So konnten es die Fans die ganze Nacht hindurch in Dauerschleife abspielen und dabei ungestört schlafen, während es im Geldbeutel von Vulfpeck laut klimperte.
das ist ein genialer hack ! chapeau die herren !