Die Telekom-Anbieter stellen ISDN und analoge Anschlüsse ab und wechseln auf rein IP-basierte Anschlüsse. Gut für sie, schlecht für uns?
Wer sich mal eine echte Stereo-Anlage für das Wohnzimmer gekauft hat, der stand vor der Entscheidung, ob es Einzelkomponenten oder eine Kompaktanlage sein soll. Die Kompaktanlage hat einen Vorteil: Sie ist billig, einfach zu installieren und Musik kommt auch raus. Ein echter HiFi-Kenner wird hingegen sündhaft teure Einzelteile (Tuner, CD-Player, Verstärker) bevorzugen. Erzählt man so einem Klang-Enthusiasten, dass beim Musik hören alles gleich bleibt, wenn man ihm seine High-End-Stereo-Anlage durch eine Kompaktanlage ersetzt, dann fragt der Sie, ob Sie noch alle Beutel im Tee haben.
Schon seit ein paar Monaten versuchen die Telekom-Anbieter etwas ganz ähnliches. Sie wollen unsere guten alten ISDN und analogen Anschlüsse (die Hifi-Anlage) durch IP-basierte Anschlüsse (die Kompaktanlage) ersetzen. Dieses Vorgehen ist durchaus nachvollziehbar, denn der Betrieb der neuen Technologie ist für den Anbieter um ein Vielfaches billiger*. Gibt man einen Bruchteil dieser Einsparung an den Kunden weiter, ist das ein super Verkaufsargument. Allein im letzten Jahr haben daher mindestens fünf Telefonverkäufer versucht, meinen ISDN Anschluss umzustellen. „Es wird billiger, ansonsten bleibt alles gleich!“ hieß es unisono – und das ist schlichtweg gelogen!
Wenn Sie abheben und dann eine Nummer eintippen, dauert es künftig jedes mal eine gewisse Zeit, bis ihr Telefon beginnt zu wählen. Mich nervt das. Der Grund ist, dass das System zum Wählen die vollständige Nummer benötigt – und die vermutet es erst, wenn Sie eine Zeit lang keine neuen Ziffern tippen.**
Haben Sie heute ein schickes ISDN-Telefon, benötigen Sie einen ca. 60€ teuren ISDN-Adapter am neuen Anschluss – oder ein neues Telefon, denn die beiden Systeme sind nicht direkt kompatibel.
Nutzen Sie hin und wieder eine Rufumleitung ins Ausland? Früher kein Problem, beim All-IP Anschluss jedoch nicht verfügbar – auch wenn es technisch kein Problem wäre, bei ISDN und auf dem Handy geht’s ja auch.
Früher hatten Sie eine Telefonleitung, bei der ungenutzte Frequenzbereiche als DSL für das Internet einfach mitgenutzt wurden. Die neuen Anschlüsse sind nur noch Internetleitungen, weswegen (Achtung: klarer Vorteil für die neuen Anschlüsse) diese u.U. etwas schneller sind, Sie keinen Splitter zum Auftrennen der Frequenzbereiche und auch keinen NTBA mehr brauchen. Telefonieren ist nämlich ab sofort nur noch ein Dienst – wie Skype oder Email.
Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass Sie bei einer Internetstörung auch niemanden mehr anrufen können. Selbst die Störungsstelle nicht. Früher ging das. Da konnte man sogar noch bei Stromausfall telefonieren, denn die Leitungen wurden von der Vermittlungstelle mit Notstrom versorgt. Wenn heute der Router keinen Saft bekommt, ist Schicht im Schacht – mit Internet und Telefon.
Und genau aus diesem Grund warnen die Anbieter sogar im Kleingedruckten vor ihren eigenen modernen Anschlüssen, wenn sie als Notrufleitungen für Aufzüge, Alarmanlagen oder den Hausnotruf des Pfelegdienstes dienen sollen. Das sollten Sie wissen, wenn Ihnen jemand die Kompaktanlage für Ihr Telefon aufschwatzen will.
* Die Deutsche Telekom stellt nach eigenen Angaben spätestens 2018 ISDN ab. Der Grund liegt nicht nur im günstigeren Betrieb sondern auch daran, dass es kaum noch Lieferanten für ISDN-Komponenten gibt.
** kleiner Tipp: Wenn Sie nach der Nummer die # Taste drücken, wählt auch Ihr IP Anschluss sofort los. Die Raute-Taste wird hier als „Wähltaste“ verwendet.
Bildnachweis: Telefon: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:T-Concept-ISDN.jpg