Yan Jin Hui und seine Amazon-Steuertricks

Ich versuche wirklich möglichst viele Dinge in lokalen Geschäften zu kaufen. Insbesondere Bücher und Standard-Elektroartikel. Aber ich muss zugeben, dass ich auch ein reger Kunde bei Amazon bin. Insbesondere dann, wenn ich etwas brauche, was Karstadt, MediaMarkt & Co. nicht vor Ort im Sortiment haben.

So erging es mir letztens bei zwei Produkten. Einmal brauchte ich für einen Test mehrere möglichst billige Android-Smartphones mit Dual-SIM Steckplatz und dann – ein paar Wochen später – eine spezielle Dokumentenkamera. Fündig wurde ich in beiden Fällen bei Amazon.

Jedes der genannten Teile kostet rund 60€, inklusive Mehrwertsteuer natürlich – so steht das bei Amazon auch auf der Webseite und das muss es auch. Da ich als Selbständiger die 19% Umsatzsteuer als Ausgabe geltend machen kann, kosten mich die Teile effektiv nur rund 48€.

Nun tritt Amazon in beiden Fällen nur als Vermittler auf und stellt dem Verkäufer auch nur seine „Verkaufsplattform“ zur Verfügung. Daher muss ich die Rechnung beim Verkäufer explizit anfordern. Die brauche ich auch, denn sonst kann ich ja die MwSt bei meinem Finanzamt nicht nachweisen. Nun … was soll ich sagen. Die Rechnung der Handys schickt Xiaohua Li von einer Firma mit Sitz in China. Angabe der Mehrwertsteuer? Fehlanzeige! Noch krasser die Lieferung der Dokumenten-Tischkamera. Die wird direkt aus China verschickt.

Da die Kamera bei einem Warenwert von 61,99€ aber Einfuhrumsatzsteuerpflichtig ist, schreibt der Amazon-Partner Yan Jin Hui einfach 19€ auf den Zollbeleg und umgeht damit seine Steuerpflicht – denn der Freibetrag liegt bei 22€.

Mein Paket wurde folgerichtig auch mit einem grünen Aufkleber versehen auf dem steht: „Von zollamtlicher Behandlung befreit“. Ergo: Keine Einfuhrumsatzsteuer, weil der Preis der Kamera – angeblich – unter dem Freibetrag (22€) liegt.

Die Rechnung von Yan Jin Hui an mich hingegen trägt den Betrag, den ich auch bezahlt habe: 61,99€. Von Angabe einer Umsatzsteuer natürlich auch keine Spur.

Das ist für mich Steuerbetrug – und den nimmt Amazon vermutlich einfach so in Kauf, denn heute weiß ich dank Google, dass das wohl hunderte Produkte und dutzende Händler betrifft, die ohne Einfuhrumsatz- oder Mehrwertsteuer abzuführen über die Amazon-Plattform verkauft werden bzw verkaufen. Den Chinesen wird übrigens nichts passieren, denn Eintreiben kann der deutsche Staat die Steuern nicht. Mit China wurde nämlich nie ein Amtshilfe-Abkommen geschlossen. In Deutschland geht man dafür in den Knast – zumindest auf Bewährung.

Für mich bedeutet das pro Gerät rund 12€ Mehrkosten – nicht viel, aber dem deutschen Staat entgehen hingegen wohl Millionen. Und die bezahle letztlich ja auch ich. Bei Amazon ist also nicht immer alles so günstig, wie es scheint – schon gar nicht, wenn uns Yan Jin Hui und Xiaohua Li bescheißen.


Bildnachweis: alle (c) Tobias Schrödel 2017, eigene Fotos oder Screenshots von Amazon oder PDF Rechnungen

6 Kommentare zu “Yan Jin Hui und seine Amazon-Steuertricks

  1. Und wieder mal ein Minuspunkt für Amazon. Obwohl, das wäre es doch sicher mal wert, rechtlich überprüft zu werden. Wenn selbst Betreiber einer Internetseite wegen einer lapidaren Verlinkung abgemahnt werden können, muss es doch wohl möglich sein, Amazon als Plattformbetreiber (was ich persönlich als höherwertiger einstufe) solches Handeln zu untersagen und / oder rechtlich und finanziell zu sanktionieren.

    • Das wäre durchaus möglich. Aber man muss es nur wollen, und auch Dienstleister in die Kontrollpflichten anbinden.
      Bisher stellt sich Amazon – leider zurecht – auf den Standpunkt: „Wir betreiben nur eine Handelsplattform, mit den Waren unserer Nutzer haben wir nichts zutun“.
      Das muss der Gesetzgeber ändern.

      • Nun ja, soweit mir bekannt, kassiert Amazon von den Händern einen Anteil vom Verkaufspreis. Ob das dann noch eine reine „Handelsplattform“ ist, wage ich zu bezweifeln. Aber ich habe nicht Jura studiert, da gibt es sicher kompetentere Menschen.

        Und bezüglich „wollen“, stimme ich vollstens zu. Da hilft wohl nur, mit den Füßen abzustimmen und bei diesem Laden nichts mehr zu bestellen. Aber solange es noch Menschen mit dem Motto „Geiz ist geil“ oder „Was geht es mich an, ob der deutsche Staat seine Steuern bekommt oder nicht“ gibt, werden solche Machenschaften in der rechtlichen Grauzone wohl weitergehen. Viele haben´s noch nicht begriffen wohin dieser Weg führt. Ich befürchte sie, werden es auch erst begreifen, wenn es zu spät ist.

  2. Sorry aber ich muss da etwas anmerken.

    Wie der Herr soundso das in seinem Land versteuert wissen wir nicht 100%.
    Fakt ist aber einfach das es sich hierbei um eine Einfuhrumsatzsteuer handelt und er hier „illegaler“ weise im Sinne des Endkunden handelt und nicht im „eigenen“ Interesse.
    Die Steuer hat der Empfänger zu zahlen und nicht der Sender.

    Das hat auch nichts mit Amazon zu tun sondern ist bei Internetbestellungen schon seit Jahren gängige Praxis (z.b. Ebay).

  3. In Deutschland entsteht die Einfuhrumsatzsteuer immer zusammen mit dem Zoll, wobei Zollschuldner auch der Einfuhrumsatzsteuerschuldner ist. Zollschuldner ist der Empfänger der Ware!!!

    http://www.zollstrafrecht-rechtsanwalt.de/schmuggel-rechtsanwalt.html#c1543

    BGH 1 StR 289/12 – Beschluss vom 26. Juni 2012 (LG Bochum)
    Gewerbsmäßiger Schmuggel (Verkürzung von Einfuhrumsatzsteuer durch inhaltlich unrichtige Zollanmeldungen;…

    ***

    3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will (vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11 mwN). Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es dabei keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz; vgl. BGH aaO). …

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